R wie Corona wirklich unter 1? + Update

R wie Corona wirklich unter 1? + Update

Nach Angaben des Robert Koch Instituts ist die Reproduktionszahl, meist einfach R abgekürzt, in Deutschland unter 1 gesunken. Das heißt, im Mittel steckt eine infizierte Person weniger als eine weitere an. Z. B. bei R = 0,9 stecken 10 infizierte Personen nur 9 weitere an. Sinkt R unter 1 gibt es also eine Trendwende zu immer weniger Infektionen. Aktuell hätte sich diese Trendwende bereits bemerkbar gemacht, ehe der erst ab diesem Montag gültige Lockdown light eine Auswirkung haben kann.

 

Und nun die schlechte Nachricht: Die Labors haben angesichts der zahlreichen Tests nicht genug Material und melden einen Rückstau von knapp 100 000 Tests. Gleichzeitig meldet das Robert Koch Institut eine Positivrate von 7,3 %. Das heißt, es dürften mehr als 7 000 Fälle in den Meldungen wegen des Rückstaus fehlen. Einen Rückstau von 20 000 Fällen gab es bereist vor 14 Tagen bei einer etwas niedrigeren Positivrate.

 

Pi mal Daumen abgeschätzt ist R wahrscheinlich nicht ausschließlich aufgrund des Rückstaus in den Laboren in den letzten Tagen etwas gesunken. Eine etwas geringere Übertragungsrate lässt sich mit der Wahrnehmung steigender Fallzahlen in der Öffentlichkeit und der Wirkung von Appellen erklären, die zu einem generell vorsichtigeren Verhalten geführt haben dürften. Außerdem gab es ja bereits Maßnahmen auf lokaler Ebene. Dass aber alleine dadurch eine wirkliche Wende mit einem R unter 1 erreicht wurde, ist jedoch höchst fraglich.

 

Als Maß für die Wirkung eines Lockdowns kann man die Entwicklung im Berchtesgadener Land betrachten. Dort gilt seit dem 20. Oktober ein Lockdown. Eine Auswirkung auf die allerdings nicht sehr zeitnahe 7 Tage Inzidenz ist erst jetzt zu erkennen. Der Wert für Mittwoch war aber noch immer über 200 Fälle pro 100 000 Einwohner*innen. Auch nach Reduktion der Kontakte im öffentlichen Bereich, gibt es ja weiter Kontakte im näheren privaten Umfeld, die sozusagen erstmal abgearbeitet werden müssen, ehe es sich bemerkbar macht, dass sie nichtmehr so leicht zu Infektionen über das jeweilige Umfeld hinaus führen können.

 

Erstaunlich wenig beachtet wird in der Öffentlichkeit der Anstieg der Zahl der Toten. Im Sommer waren das mal im Schnitt etwa 5 Fälle täglich. Mittlerweile sind es oft über 100 Menschen am Tag. Da die Zahl der Infektionen im Oktober noch kräftig angestiegen ist und der Kampf um ein Leben meist mehrere Wochen dauert, ist bald mit noch erheblich mehr Todesfällen zu rechnen. Es ist ein häufig unbedachter Zynismus, auf noch so viele freie Intensivbetten in Deutschland zu verweisen: "Es sind noch Betten frei ..."

 

Abgesehen davon ist ein Engpass an in der Intensivmedizin geschultem Personal absehbar und das kann man nicht so rasch nachproduzieren wie Atemgeräte.

jk

Update: Das Robert Koch Institut hat sich mittlerweile der Bewertung von Radio Dreyeckland angeschlossen und die R-Werte etwas nach oben korrigiert. Womit nicht gesagt sein soll, dass die vom Institut Stümper*innen sind. Eine rechnerische Korrektur war wohl nicht sofort möglich, da Daten über verzögerte Tests mit Datum und Ergebnis natürlich nicht gleich verfügbar sind.