Afrin: Lost in translation - Übersetzer manipuliert für türkisches TV

Lost in translation - Übersetzer manipuliert für türkisches TV

Wenn man dem türkischen Sender Habertürk TV, bzw. seinem Übersetzer glaubt, so reden die Leute in Afrin bereits wie Recep Tayyip Erdogan. Am 27. März befragte der Reporter Veyis Ates drei ältere Männer in Afrin auf einem Platz offenbar vor einer Moschee. Ihm diente ein Übersetzer, der eine ärmellose Weste mit dem Logo der türkischen staatlichen Katastrophenhilfe AFAD trug (die Organisation untersteht direkt dem Ministerpräsidenten). Offenbar hatte der Übersetzer keine Probleme mit den Männern zu kommunizieren, mit der richtigen Übersetzung haperte es dann aber doch gewaltig. Insbesondere sagt er immer zwanghaft YPG (kurdische Miliz, von der Türkei als Terrororganisation eingestuft), wenn die Leute von der "Freien (Syrischen) Armee" sprechen, also von Erdogans Hilfstruppen: Am Anfang sagt der erste Mann:

"Wir Leute von Afrin wollen keine bewaffneten Mächte, die nicht nach Afrin gehören. Die Freie Armee ist keine Freie Armee. Das sind Diebe. Terroristen. Unser Eigentum haben sie genommen, unsere Frauen... Gestern Nacht haben sie drei unserer Mädchen vergewaltigt. Eine war 15 Jahre..."

Übersetzer: "Wir wollen nicht, dass sich Leute, die nicht aus Afrin sind in Afrin verbergen. Die YPG war keine Organisation, die nach Afrin gehört, sie kam erst hinterher hierher. Sie haben unser Hab und Gut geplündert. Sie haben auf unsere Familienehre ein Auge geworfen. Sie sind hier nicht die rechtmäßigen Herren."

Abgesehen davon, dass "Freie Armee" gegen YPG vertauscht wurde, fällt ferner auf, dass die Wendung von den "rechtmäßigen Herren" in den Text geschmuggelt wurde. Das erinnert deutlich an die von Erdogan mehrfach vorgebrachte Behauptung, man wolle Afrin seinen "rechtmäßigen Herren" (im Deutschen lässt sich auch: "wahre Eigentümer" übersetzen) zurückgeben. Nebenbei bemerkt, sagt Erdogan das nur dem heimischen Publikum, auf dem internationalen Parkett ist von Selbstverteidigung die Rede und das macht einen riesen Unterschied, denn die "rechtmäßigen Herren" eines Teiles eines anderen Landes herauszufinden ist keine Notwehr und damit ohne irgendeine völkerrechtliche Grundlage.

Im weiteren Verlauf danken die Männer der türkischen Armee dafür, dass sie gekommen ist und für Hilfsgüter. Gleichzeitig schimpfen sie aber weiter auf die "Freie Armee" und es ist offensichtlich, dass sie lieber die türkische Armee als die "Freie Armee" in Afrin haben wollen. Offensichtlich ist es ihr ganzes Anliegen, von Erdogans Hilfstruppen befreit zu werden. Von der YPG und dem Konflikt der Türkei mit ihr sagen sie garnichts. Der Dank wird korrekt übersetzt, ansonsten ist im türkischen Text wieder "Freie Armee" gegen YPG ausgetauscht. Als ein Befragter eine Geste macht, die zeigen soll, dass die "Freie Armee" ihnen sogar die Kleider geraubt hat, übergeht der Übersetzer dies und spult seinen Text zum Lobe des türkischen Eingreifens runter. Ferner lässt der Übersetzer, einen der Befragten noch sagen, die Türkei solle bleiben.

Quelle: Bianet und eigene Recherche, jk