Landesregierung lässt fragwürdigen islamischen Verband Hochschullehrer abschießen

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Landesregierung lässt fragwürdigen islamischen Verband Hochschullehrer abschießen

Das Kultus- und Wissenschaftsministerium hat den islamischen Religionsunterricht und die entsprechende Lehrer*innenausbildung im Ländle in die Hände der neu geschaffenen Stiftung Sunnitischer Schulrat gelegt. Die darin vertretenen Vereine, Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland haben sobald sie es konnten dem islamischen Theologen Abdel-Hakim Ourghi von der PH Freiburg und seinem Kollegen Abdel-Hafiez Massud von der PH Weingarten unter dem offensichtlichen Vorwand, sie seien nicht genügend ausgebildet, die Lehrerlaubnis verweigert. Es kann sein, dass die Stiftung damit nicht durchkommt, schließlich beruht der Entzug der Lehrerlaubnis einzig auf der Satzung der Stiftung, zuständig ist aber weiter das Land. Es sieht nach einer Frage für Gerichte aus. Doch die Stiftung hat gleich eine zweite Waffe gezogen. Auf der  Webseite der Stiftung heißt es, dass die Ausbildung in Freiburg und Weingarten derzeit nicht anerkannt werde. Das ist eine Drohung gegen die Student*innen. Neben den Hochschullehrern, die sich beide entschieden zu einem aufgeklärten Islam bekennen, traf der Bannstrahl auch die Lehrerin Eloha Muzafferiy. Sie ist zwar Muslimin, aber Schiitin und wurde deshalb von der Stiftung ebenfalls abgelehnt. Muzafferiy war überdies eine Schülerin von Ourghi. Man fragt sich natürlich was mit anderen Absolvent*innen von Ourghi und Massud sein wird.

 

Der Vorgang sagt eigentlich alles über die beteiligten Vereine und ihre Befähigung zur Organisation eines weltoffenen Religionsunterrichtes. Doch zumindest über den VIKZ hätte man vorher auch schon mehr wissen können.

 

Der VIKZ steht der Gemeinschaft der Süleymancilar nahe. Selbst lehnt der VIKZ diese Bezeichnung ab, weil sie abwertend gebraucht werde und spricht lieber von Süleymanlilar. Doch wie die Süleymancilar beziehen sich die Süleymanlilar auf den gleichen Gründer Süleyman Hilmi Tunahan (1888 bis 1959). Es gibt auch keine separaten Strukturen. Tunahan ist so etwas wie der Rudolf Steiner der Bewegung. In einem Gutachten des ehemaligen Leiters des Deutschen Orient Instituts, Udo Steinbach und seines damaligen Assistenten, Nils Feindt-Riggers aus dem Jahr 1997, heißt es, Tunahan verkörpere für seine Jünger "eine Gestalt mit gottähnlichen Fähigkeiten, die jederzeit gewöhnliche Sterbliche durch seinen bloßen Willen vernichten könne." Tunahan sei auch nicht verstorben, sondern "wie der Mahdi im zwölferschiitischen Konzept 'entrückt' und werde am Tag des Jüngsten Gerichts auf die Erde zurückkehren". Der VIKZ bestreitet die Seriosität der von den beiden angesehenen Wissenschaftlern benutzten Quelle. Aber eine englische Biographie von Tunahan, die der VIKZ selbst verbreitet, enthält zumindest ähnliche Aussagen. Darin heißt es, Tunahan würde auch nach seinem Tod noch "spiritual power" ausüben. Damit ist nicht die Wirkung seiner Lehre sondern wie aus dem Kontext klar hervorgeht, eine direkte Einwirkung des Verstorbenen gemeint. Die Friedrich Ebert Stiftung schreibt auf ihrer Webseite zum VIKZ, dass auch eine Verehrung von Süleyman Hilmi Tunahan stattfinde, die sich etwa in Bildern von ihm in privaten Häusern ausdrücke und dass eine solche Verehrung einer menschlichen Person im Islam unüblich sei: https://www.fes.de/fulltext/asfo/00803008.htm.

 

1979 machte der DGB anlässlich von Plänen zur Einführung von islamischem Religionsunterricht in NRW darauf aufmerksam, Süleymancilar hätten im 2. Weltkrieg in SS-Battaillonen in Jugoslawien gekämpft. Auch der türkische Experte Faik Bulut schreibt in seinem Buch Islamci Örgütler, Istanbul 1993, 2. Auflage 1994, S. 758 Anm. 30, dass Süleymancilar gegen Kommunisten in Jugoslawien gekämpft hätten. Während des 2. Weltkrieges hätten die Süleymancilar propagiert "Hitler ist ein heimlicher Muslim. Er wird in die Türkei kommen, die Regierung Inönü [Atatürks Nachfolger, Ismet Inönü, jk] stürzen und einen islamischen Staat gründen". Faik Bulut stützt sich dabei ebenso wie der DGB auf Quellen, die sich heute schlecht überprüfen lassen. Mehmet Fahri Sertkaya, der nach eigenem Bekunden von einer Bildungseinrichtung der Süleymancilar kommt, hat noch im Jahr 2013 in der Türkei im Internet die These verbreitet, Hitler habe den 2. Weltkrieg verloren, als seine jüdischen Geldgeber bemerkten, dass er ein heimlicher Muslim sei. Wie weit diese These von anderen Süleymancilar geteilt wird, ist aber unklar.

 

Aus seiner Gegenwart in den 90-ger Jahren kann Faik Bulut allerdings von einer Zusammenarbeit der Süleymancilar mit den rechtsradikalen Grauen Wölfen berichten.

 

In einem vom VIKZ selbst in Auftrag gegebenen Gutachten kam die Sozialwissenschaftlerin Ursula Boos-Nünning 2010 zu dem Schluss, die Schüler*innen in den 19 Wohnheimen des VIKZ würden nicht religiös indoktriniert. Zugleich kritisierte sie aber den autoritären Charakter der Bildungseinrichtungen des VIKZ und konstatierte eine Fremdbestimmung der Schüler*innen auch in ihrer Freizeit. Ihre eher positive Gesamtbewertung fußte auf Antworten von Schüler*innen auf Umfragen. Es ist nicht auszuschließen, dass den Schüler*innen Hinweise gegeben  wurden, wie sie zu antworten hätten. Die Untersuchung trägt den Titel "Beten und Lernen".

 

Tiefer ins Milieu der Süleymancilar konnte die in Sarajewo geborene österreichische Investigativjournalistin Melisa Erkurt eindringen. Im Migrantenmagazin Biber veröffentlichte sie im Februar 2017 eine Reportage unter dem Titel "Süleymans Kinder". Ein Aussteiger hatte ihr von der strengen religiösen Erziehung in einem Wohnheim erzählt. Fragen zu stellen war verboten. Er bezeichnete das als Gehirnwäsche. Man habe ihnen - Kindern zwischen 7 und 16 Jahren - beigebracht der Westen und Juden seien böse und Andersgläubige kämen in die Hölle. Ihnen wäre auch ein völlig verdrehtes Frauenbild beigebracht worden. Dass ging so weit, dass als er und einige Mitschüler bei einem Spaziergang zufällig auf eine Gruppe Mädchen stießen, sie alle davongerannt seien. Nachher hätten sie sich schmutzig gefühlt.

 

Unter dem Vorwand, ein Mädchen anmelden zu wollen, hat dann Erkurt ein Wohnheim der Süleymancilar selbst besucht. Es gab zwei Eingänge, einen für Männer und einen für Frauen. Der Hodscha (Lehrer) vermied es ihr die Hand zu geben und ihr in die Augen zu sehen. Auch sonst stimmten sowohl der Augenschein des Wohnheims als auch die Reden des Hodscha zu dem was der Aussteiger ihr erzählt hatte.

https://www.dasbiber.at/content/sueleymans-kinder.

 

Es ist zugegeben nicht leicht, einen Träger für den islamischen Religionsunterricht zu finden. Schließlich gibt es auch noch mehr bedenkliche Organisationen. Und ein wenig hilft Vereinen wie dem VIKZ auch der deutsche Föderalismus. Ist ein Verein in einem der 16 Bundesländer als Partner akzeptiert, wirkt das wie ein Gütesiegel. Trotzdem hätte sich die Landesregierung, bzw. das von der CDU geführte Kultusministerium schlauer machen können. Das betrifft nicht nur die Vorwürfe gegen den VIKZ und die Süleymancilar. Das Ministerium gibt damit einer ganz speziellen Gruppe, man könnte auch sagen Sekte, ein Gewicht das ihr eigentlich nicht zukommt. Von Deutschland aus betrachtet mag der VIKZ mit seinen nach eigenen Angaben ca. 300 Moschee- und Bildungsvereinen groß aussehen, doch das täuscht. Von der Türkei aus gesehen sind die Süleymancilar eine kleine Minderheit, die sich durch ihren Bezug auf Süleyman Hilmi Tunahan klar von anderen Muslimen absetzt. Darüber sind die Süleymancilar klar auf die Türkei, die türkische Diaspora und allenfalls noch auf den Balkan bezogen. Musliminnen und Muslimen aus anderen Ländern dürften sie weitgehend unbekannt sein. Letztere stellen in Deutschland mittlerweile die Mehrheit. Das ist so als hätte die Landesrgierung den katholischen, evangelischen und orthodoxen Religionsunterricht vertrauensvoll in die Hände der Zeugen Jehovas gelegt.

 

Ist die Unbedarftheit mit der der VIKZ ins Boot geholt wurde schon unverständlich, so ist es noch weniger zu akzeptieren, dass die Landesregierung jetzt ruhig zusieht wie die Vereine von der Stiftung aus liberale Theologen aus dem Weg räumen.

 

Bei all dem ist klar, dass es auch islamischen Religionsunterricht geben sollte, schon wegen der Gleichbehandlung. Muslime leben hier und es gibt kein Recht, sie als Bürger*innen zweiter Klasse zu behandeln. Außerdem könnte ein aufgeklärter Religionsunterricht auch ein gewisser Wall gegen radikale Fundamentalisten sein. Der VIKZ weiß das und gibt sich entsprechend weltoffen. Doch spätestens mit dem Rauswaurf anderer Theologen hat er gezeigt, dass er eben nicht liberal und weltoffen ist.

jk