Griechisches Gericht verurteilt ohne Beweise zwei Menschen der sogenannten #Moria6 zu fünf Jahren Gefängnis

Griechisches Gericht verurteilt ohne Beweise zwei Menschen der sogenannten #Moria6 zu fünf Jahren Gefängnis

Vor sechs Monaten brannte das Lager Moria auf Lesbos ab. Direkt nach dem Brand wurden sechs geflüchtete Menschen festgenommen und der Brandstiftung sowie der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Nun fielen die ersten Urteile in einem Prozess und ohne tragende Beweise. 

Damals entstand der Eindruck, dass die Behörden schnell willkürlich ausgewählte Menschen festgenommen haben, um sie als Sündenböcke darzustellen und sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen. Schließlich waren die Bedingungen im Lager keineswegs sicher und die Brandgefahr beispielsweise durch offene Feuerstellen als einzige Kochmöglichkeiten allgegenwärtig. Auch war es zuvor immer wieder zu Brandstiftungen von außen durch faschistische Gruppen gekommen.

Nun wurden die ersten zwei jungen Männer, unbegleitete Minderjährige aus Afghanistan, zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zuerst wurde diskutiert, ob die angeklagten sich von Anwälten des Legal Centre Lesvos vertreten lassen oder ob eine Pflichtverteidigung eingesetzt wird. Anschließend wurden 17 Zeug*innen gegen die Angeklagten zugelassen, von denen die meisten keine Aussage zu den beschuldigten Personen, sondern lediglich zu ihren Verlusten durch das Feuer machten. Die einzigen zwei Personen, die die angeklagten Männer identifizierten, waren zwei Polizeibeamte. Sie hätten einen der Angeklagten auf einem Video identifiziert, auf dem beide lediglich von hinten zu sehen sind. Einer der Beamten beschrieb die Person als sehr klein. Bei der Gegenüberstellung vor Gericht zeigte sich, dass der Angeklagte einen halben Kopf grösser als der Polizist war. Der Zeuge der Staatsanwaltschaft, der den zweiten Angeklagten identifiziert haben soll, erschien gar nicht erst vor Gericht, was seine belastende Aussage eigentlich unzulässig macht. Von mehr als zehn Personen, die zugunsten der Angeklagten aussagen wollten, ließ das Gericht jeweils nur eine Person zu. Das Legal Centre Lesvos kommentiert dazu: "Es hatte den Anschein, dass das Gericht entschlossen war, den Prozess heute zu beenden, um die unmittelbar bevorstehende Höchstdauer von sechs Monaten zu vermeiden, die die Angeklagten - die als Minderjährige verhaftet wurden - rechtmäßig in Untersuchungshaft bleiben könnten." 

Weiter heißt es: "Der Prozess gegen diese beiden Mitglieder der Moria 6 stellt einen groben Justizirrtum dar. Das tragische Ergebnis des heutigen Prozesses scheint Teil eines systematischen Versuchs zu sein, jeglichen Widerstand gegen das europäische Grenzregime durch kollektive Bestrafung zu zerschlagen, indem willkürlich Migranten verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden, die sich dem von Migranten geführten Widerstand angeschlossen haben. Der Minister für Migration und Asyl erklärte in einem Interview vom 16. September 2020, dass "das Lager von sechs afghanischen Flüchtlingen, die verhaftet wurden, angezündet wurde".


Gegen das Urteil wurde bereits Berufung eingelegt. Die Verhandlungen gegen die weiteren vier Angeklagten stehen noch aus. Das Gerichtsverfahren wurde von Protesten begleitet.