Geschrumpfter Protest gegen die Corona-Maßnahmen am 23. 05. 2020

Geschrumpfter Protest gegen die Corona-Maßnahmen am 23. 05. 2020

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Demo am Platz der Alten Synagoge am 23. 05. 2020
Demo am Platz der Alten Synagoge am 23. 05. 2020
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Corona Solidarität Freiburg
Wir dokumentieren den Bericht von Corona-Solidarität Freiburg.   Für vergangenen Samstag waren auch in Freiburg erneut zwei Proteste gegen die Coronamaßnahmen angekündigt. Bei mäßigem Wetter kamen deutlich weniger Teilnehmer*innen als in den vergangenen Wochen. Inhaltlich war ein deutlicher Rechtsruck zu beobachten. Am Rande der Kundgebung kam es erneut zu Einschüchterungsversuchen und massiven Bedrohungen gegenüber Gegendemonstrant*innen und eines Journalisten.   Für die Grundrechte - Aber nur bei gutem Wetter   Zu den Protesten auf dem Platz der Alten Synagoge (PdAS) rief die "Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand" auf. Die Anmelderin der Kundgebung, die in den ersten Wochen auf dem Rathausplatz und schließlich auf dem Augustinerplatz stattfand, hatte im Vorfeld entschieden, sich dem Protest auf dem PdAS anzuschließen. Die "Freunde der Freiheit", die die Kundgebung auf dem Münsterplatz veranstalten, sagten diese aufgrund der Wetterlage etwa eine Stunde vor Beginn ab und mobilisierten ebenfalls auf den Platz der Alten Synagoge. Dem Aufruf folgten schließlich weniger als 100 „Coronaskeptiker*innen“, die sich bei leichtem Regen auf dem Platz versammelten. Gleich zu Beginn der Versammlung war ein Themenschwenk bei der Demonstration zu vernehmen: So wurde sich in einer Rede an „der Antifa“ abgearbeitet. Eine Rednerin trug "ihre Recherchen" vor und reproduzierte die in rechten Kreisen beliebte Verschwörungstheorie einer vom Staat bezahlten "Antifa GmbH". Sie belegte diese These mit den vermeintlichen Recherchen der taz, die tatsächlich jedoch satirische Artikel sind.(1) Außerdem zitierte die Rednerin einen Artikel aus dem "Basel Express"(2), der sich wiederum auf Informationen vom deutschen Ableger des russischen TV-Kanals "Russia Today" ("RT Deutsch") bezieht. Dieser ist für seine rechtslastige Berichterstattung bekannt. Darüber hinaus ist der "Basel Express" das Mutterblatt vom "Basler Expressblatt", einer verschwörungsideologischen Zeitung mit rechtsradikalen Verstrickungen.(3) Die Rednerin suggerierte, dass es eine 'Antifa GmbH über die Antifa-Gewerkschaft bis hin zum Antifa-Verein' gebe. Und weiter: 'Diese erhalten Geld von der deutschen Bundesregierung, den Parteien SPD, CDU und den Grünen sowie einzelnen sozialistisch-kommunistisch orientierten Verbänden.' Diese Falschbehauptungen, die häufig im Umfeld der AfD benutzt werden, schienen nicht bei allen gut anzukommen und es konnten vereinzelte Unmutsäußerungen vernommen werden. Ein anwesendes Mitglied der Partei "Die PARTEI" warf sarkastisch ein: 'Demogeld gibt es hier!' und wurde daraufhin von einer Demo-Ordnerin zurechtgewiesen. Insgesamt wirkte die Stimmung deutlich weniger dynamisch und entschlossen als noch in den Wochen zuvor. Auch diesmal wurden die allgemeinen Hygieneregeln und Kundgebungsauflagen mehrheitlich nicht befolgt, bis die Polizei diese unter Androhung von Personalienfestellungen weitestgehend durchsetzte.    'Ist das eine Anti-Antifa-Demonstration, oder geht es hier um Corona-Maßnahmen?'   Die transportierten Inhalte waren nebst der eingangs erwähnten Rede von nationalistischer Ideologie geprägt. Das einzige sichtbare Banner war, in augenscheinlicher Anlehnung an die Fahne des Deutschen Reichs(4), in den Farben schwarz, weiß und rot gehalten. Daneben stand eine Person mit einer Baden-Fahne mit dem Slogan: "Deutsch von Geburt - Badener von Gottes Gnaden". Der nationalistische Topos wurde durch das Singen der ersten und dritten Strophe des "Deutschlandlieds" untermauert. Die erste Strophe mit der Zeile "Deutschland, Deutschland, über alles" wurde im Nationalsozialismus zu einer Rechtfertigung für den deutschen Expansionismus und als Ausdruck deutscher Hegemoniebestrebungen interpretiert. Außerdem wird diese Strophe gerne in rechtsextremen Kreisen gesungen, weil sie zwar nicht verboten ist, aber  dennoch an das "Großdeutsche Reich" erinnert: 'Von der Maas bis an die Memel'. Ein frustrierter Demonstrant brachte es auf den Punkt, als er bei der Rede über die "Antifa GmbH" vortrat und laut fragte: 'Ist das eine Anti-Antifa-Demonstration, oder geht es hier um Corona-Maßnahmen?' Er wurde dafür ausgebuht und die Rede abgekürzt. Die Situation steht sinnbildlich für den Charakter der Veranstaltung, in der zunehmend Nationalist*innen den Ton anzugeben scheinen.   Erneute Einschüchterungsversuche und Drohungen   Über die gesamte Zeit waren einzelne Personen zur kritischen Beobachtung am Rande der Kundgebung anwesend. Als sich gegen Ende die eigentliche Kundgebung auflöste, kam es vereinzelt zu Diskussionen. Nach einiger Zeit kamen zwei Kundgebungsteilnehmer auf eine kleine Gruppe von Gegendemonstrant*innen zu und begannen, aggressiv auf diese einzureden. Infolge des hitzigen Gesprächs kam es zu massiven Einschüchterungsversuchen gegenüber den Teilnehmer*innen des Gegenprotestes. Die zwei behaupteten, dass man sich mit "den Falschen angelegt" habe: 'Ich habe euch alle gefilmt (...) Wir haben eine Liste mit euren Namen und ihr seid bald nicht mehr da.', drohte einer von ihnen. Als ein anwesender Fotograf die Szene festhielt, bedrängte einer der beiden den Journalisten und beschwerte sich anschließend bei der Polizei. Diese kam ihrer Aufgabe, die Pressefreiheit zu schützen, nach. Im Anschluss versuchte der Beschwerder Fotos von den Gegendemonstrant*innen und dem Journalisten zu machen, bevor er und sein Begleiter erfolglos abzogen.   Nationalistische Kleinstveranstaltung statt Grundrechte verteidigende Massenbewegung   Konnten die Hygienedemos in den letzten Wochen noch konstanten Zuwachs verzeichnen, so ist vergangenen Samstag die Teilnehmer*innenzahl stark eingebrochen. Drei bis vier angemeldete bzw. angekündigte Kundgebungen wurden auf dem PdAS zusammengelegt und nur rund 100 Personen konnten mobilisiert werden. Erstmals fand am Bertoldsbrunnen auch eine antifaschistische Gegenkundgebung statt, die sich für eine linke Intervention stark machte. Es bleibt unklar, ob sich neben dem Wetter auch die kürzlich erfolgten Lockerungen oder zunehmende Aufklärung über Verschwörungstheorien auf die sinkende Teilnehmer*innenzahl auswirkte. Inwiefern sich die deutliche Verkleinerung und insbesondere der inhaltiche Schwenk auf allen Kundgebungen, von der vermeintlichen Verteidigung des Grundrechts und rechtstaatlichen Freiheiten hin zu offen nationalistischen Aussagen und Inhalten, auf die Dynamik mit bis zuletzt rund 500 Protestierenden auswirken wird, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.