Erdogan macht Sängerin Sezen Aksu zur Zielscheibe

Erdogan macht Sängerin Sezen Aksu zur Zielscheibe

In seiner neuen großen Moschee in Istanbul nahm sich der türkische Präsident Tayyip Erdogan eine der bekanntesten Künstlerinnen der Türkei vor. Vor sage und schreibe fünf Jahren hatte, die auch unter ihrem Spitznamen "kleiner Spatz" bekannte Sängerin und Komponistin Sezen Aksu in einem Lied Adam und Eva als "Grünschnäbel" bezeichnet. Nun ist Adam im Islam nicht nur der erste Mensch, sondern auch der erste von nur 5 Propheten (hätten seine Nachfahren doch nur auf Adam gehört, so wären wir schon lange alle Muslime...). Zwar hatte die staatliche Direktion für Religionsangelegenheit bereits mit der gebührenden schärfsten Kritik reagiert, doch Erdogan platzte nun noch mal nachträglich der Kragen. Und das hörte sich dann vor den versammelten Gläubigen so an: "Gegen unseren Herrn, den Propheten Adam kann niemand die Zunge böse gebrauchen. Solche böse gebrauchten Zungen abzutrennen ist unsere Pflicht".

 

Was das konkret von Seiten Erdogans zu bedeuten hat, ist natürlich unklar. Aber es gibt genug religiöse Fanatiker, die der Verdammung Taten folgen lassen könnten. Aksu antwortete am Samstag auf Erdogans Worte, dass es doch jeder wisse, dass es in Wirklichkeit nicht um sie, sondern um das Land ginge. Darauf zitierte sie auch aus ihren Liedern unter anderem die Worte: "Du kannst mich nicht töten, ich habe meine Stimme, meine Saz, meine Worte".

 

Während Erdogan sich Sezen Aksu vorknöpfte wurde auch die Journalistin Sedef Kabas (kabasch) festgenommen und anschließend gleich dauerhaft in Haft genommen. Sie hatte in einer Fernsehsendung ein Sprichwort zitiert, das man auch auf Erdogan beziehen könnte: "Wenn der Ochse in den Palast kommt, wird er nicht zum König. Der Palast wird zum Stall." Wegen Beleidigung des Präsidenten drohen Sedef Kabas nun bis zu vier Jahre und 8 Monate Haft. Die Aufsichtsbehörde RTÜK hat auch angekündigt, dass dem Fernsehsender, in dem Sedef Kabas aufgetreten ist, eine Strafe droht. Auch gegen einen Musikkanal, der Musik von Sezen Aksu verbreitet, will RTÜK vorgehen.

 

Ob Erdogan das Lied von Sezen Aksu nach fünf Jahren spontan wieder in den Sinn kam oder er andere Absichten hat, weiß man natürlich ebensowenig wie ob Putin die Ukraine nun überfallen wird oder ihr "nur" droht. Der Verdacht liegt aber nahe, dass es dem Bewohner eines riesigen Palastes bei Ankara in Wirklichkeit um anderes ging. Die Inflation ist im Januar auf 36 % gesprungen und viele halten sogar diese Zahl noch für erheblich geschönt. Wäre es da nicht einfach besser, wenn Erdogans Klientel sich über die Beleidigung des Propheten Adam erregt, statt über höhere Strompreise?

jk