Die Zauderer bestraft das Virus

Die Zauderer bestraft das Virus

Just als wir mit dem Beginn der Impfungen in einigen Ländern ein wenig Hoffnung schöpfen konnten, sind in Südafrika und Großbritannien Mutationen des Coronavirus aufgetaucht, die höchst wahrscheinlich die Ausbreitung begünstigen. Boris Johnson sprach davon, dass die mutierte Version um 70% mehr ansteckend sei. Genaugenommen weiß das weder Herr Johnson noch irgendjemand sonst so richtig. Die Zahl hat er aus einer Presentation von Dr. Erik Volz vom Imperial College in London. Volz selbst sagt, dass es zu früh sei für genaue Zahlen. Es steht aber fest, dass die neue Variante alle älteren im Raume London und Kent sehr rasch verdrängt. Dafür kann es auch andere Gründe geben, doch ganz ohne eine höhere Infektiosität ist es wohl nicht zu erklären. Das kann weniger als 70% Unterschied machen, oder auch mehr.

 

Es gibt noch weitere Gründe, wegen der neuen Mutation besorgt zu sein. Die Veränderung betrifft das Protein, das eine Schlüsselrolle beim Eindringen in Körperzellen spielt. Einige der damit verbundenen Mutationen haben in Laboren eine bessere Fähigkeit beim Eindringen in Körperzellen gezeigt.

 

Wird es gelingen diese spezielle Mutation einzugrenzen? Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Die Mutation wurde in Großbritannien bereits im September entdeckt. Damals war es eine unter vielen. Die schnelle Ausbreitung wurde erst im November so langsam klar. In Deutschland wurde die Mutation noch nicht nachgewiesen. Aber in Deutschland wird auch weniger nach Mutationen gesucht als in Großbritannien und es dauert länger, bis die Daten verfügbar sind. Außerdem ist die Mutation auch in Dänemark, den Niederlanden und Italien in wenigen Fällen nachgewiesen.

 

Da braucht es Pi mal Daumen eine Menge Glück, um die neue Mutation noch fernzuhalten. Den Versuch ist es aber wert, auch wenn dabei letztlich nur eine Verzögerung herauskommt.

 

Nun ist es nicht einfach Pech, dass zwei potentiell gefährlichere Mutationen nun auftauchen. Je mehr Viren eines bestimmten Typs unterwegs sind, je mehr Mutationen wird es geben und je mehr Mutationen es gibt, um so wahrscheinlicher ist es, dass einige davon unerfreuliche Überraschungen bereiten. Ein politischer Ansatz, der aus Angst vor ökonomischen Folgen und dem Protest von Bürger*innen das Virus so lange nur ein wenig eindämmt, bis es nicht mehr anders geht, riskiert nicht nur, dass die Infektionen aus dem Ruder laufen, sondern erhöht auch die Gefahr, dass sich aus der brodelnden Suppe noch schlimmere Mutationen melden.

 

In allen westlichen Demokratien war die Ministerpräsidentin von Neuseeland, Jacinda Ardern bei der Bekämpfung von Covid-19 am erfolgreichsten. Ihr Motto: „Go early, go hard!“ hat sich voll ausgezahlt. Neuseeland kann aber auch leichter nach Außen abriegeln, als etwa Deutschland. Doch das ist eigentlich nicht nur ein geographisches Problem, sondern mehr noch ein Problem der Koordination. Ein gleichzeitiger Lockdown in Europa wäre möglich. Das heißt aber, dass Länder mit einer geringeren Fallzahl nicht warten, bis es auch bei ihnen so weit ist und dass Länder mit der Aufhebung des Lockdowns warten, bis die Nachbarn auch so weit sind. Da müssten halt auch solidarische Opfer gebracht werden, die sich aber mittelfristig für alle auszahlen.

 

Doch was auf europäischer Ebene eigentlich notwendig wäre, klappte die meiste Zeit nichteinmal auf der Ebene der deutschen Bundesländer. Da werden nun Flüge aus Großbritannien gestoppt, aber wer weiß, vielleicht kommt die nächste gefährliche Mutation aus Sachsen, Thüringen oder Baden-Württemberg. Die Zauderer straft das Virus.

jk