Die Architektur der Widerstandsdelikte wurde auf den Kopf gestellt

Die Architektur der Widerstandsdelikte wurde auf den Kopf gestellt

800px-January_20_riot_cops_D.C..jpg

Besonders schutzbedürftige Beamte (USA 2005) Lizenz: Jonathan McIntosh, January 20 riot cops D.C., CC BY 2.0
Lizenz: 
CC Attribution, Non-Commercial, Share Alike
Quelle: 
Wikipedia

Während in anderen Ländern nach dem Tod von George Floyd übertriebene und rassistische Polizeigewalt Thema ist, dominiert in Deutschland die angeblich steigende Gewalt gegen Polizist*innen die öffentliche Diskussion. Angeblich nimmt sie ständig zu, wofür sowohl einzelne Ereignisse als Beleg ins Feld geführt werden als auch die Polizeiliche Kriminalstatistik. Dabei wurden die Strafen für Widerstand gegen bzw. Angriffe auf Polizeibeamt*innen gerade erst durch einen neuen Straftatbestand (§ 114 StGB) deutlich erhöht, natürlich in der Absicht, die Beamt*innen im Einsatz besser zu schützen. Warum klappt das einfach nicht?

Der Verdacht liegt nahe, dass die Zahl der Widerstandshandlungen gar nicht zugenommen hat, sondern lediglich die Strafbarkeit ausgeweitet wurde. War der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bisher nur strafbar, wenn gerade eine Vollstreckungshandlung vorgenommen wurde, ist beim verschärften § 114 nur noch von einer Diensthandlung die Rede, was auch z. B. ein Streifengang sein kann.

Radio Dreyeckland fragte deshalb den Freiburger Professor für Kriminologie und Strafrecht Roland Hefendehl. Dieser äußert einen ähnlichen Verdacht und spricht davon, dass die Architektur der Widerstandsdelikte auf den Kopf gestellt worden sei. Ursprünglich sei sogar im Vergleich zu einer Nötigung strafmildernd berücksichtigt worden, dass Konfrontationen der Bürger*innen mit der Polizei leicht mal emotional ablaufen. Außerdem sind die Beamt*innen genau für solche Konfrontationen auch ausgebildet und ausgerüstet. Nun reicht dem Gesetzgeber ein Angriff bei einer schlichten Diensthandlung, die Rechtsfolge ist zwingend eine Freiheitsstrafe. Außerdem plädiert Hefendehl für deeskalierende Maßnahmen. Man sollte ferner an Alternativen für Jugendliche denken, statt nur die Corona-Verbote gegen sie durchzusetzen.