Cannes 2016 - Der Blog

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DER CANNES BLOG 2016

- neue Texte stehen oben, fuer chronologisches
Lesen also bitte ganz nach unten scrollen -

Cannes 2016 Festival Palais Film
Das Filmfestival von Cannes findet dieses Jahr zum 69. Mal statt.
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asr


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Samstag, 21. Mai 2016

"Happy" Olli Maeki wird auch ein gluecklicher Preistraeger

Heute abend wurden in der Nebensektion "Un certain regard" bereits die Preise vergeben.

Den Hauptpreis erhielt der finnische "Retro"-Film "The happpiest day in the life of Olli Maeki", den ich neulich bereits besprochen habe, siehe unten. Bei der Preisverleihung im grossen Debussy-Kino konnte ich jetzt aber noch ein Foto von Regisseur Juho Kuosmanen schiessen.

Cannes 2016 un certain regard Juho Kuosmanen Olli Maeki Film
Regisseur Juho Kuosmanen wurde mit dem Hauptpreis in der Programmsektion Un certain regard ausgezeichnet.
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Und hier kommt noch ein Bild aller Un-Certain-Regard-Preistraeger auf einmal:

Cannes Preise Prix Certain regard Festival Film 2016
Alle Preistraeger des Certain regard auf einen Streich.
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Von links nach rechts: Juho Kuosmanen ("Hymyilevae mies"/"The happiest day in the life of Olli Maeki"), Michael Dudok De Wit (Regisseur des Animationsfilms "The red turtle"), der US-Regisseur Matt Ross ("Captain Fantastic"), dann die 5 Jurymitglieder des Certain Regard, gefolgt von den beiden Schwestern Delphine und Muriel Coulin (Regisseurinnen des Kriegsdramas "Voir du pays"), und ganz rechts der japanische Filmemacher Koji Fukada ("Harmonium"/"Fuchi ni tatsu").

(asr)


Bei einem Empfang konnte ich mir die offizielle Jury fuer die Palmen ansehen.
Und habe natuerlich ein paar Schnappschuesse gemacht.

Cannes Jury Mads Mikkelsen 2016 Festival de Film
Jurymitglied Mads Mikkelsen, der hier vor wenigen Jahren fuer Die Jagd selbst eine Palme abgeraeumt hatte.
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Cannes Jury Festival de Film Donald Sutherland Jurypraesident 2016
Donald Sutherland ist dieses Jahr Praesident der Jury und damit sozusagen Palmenmeister.
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Cannes Jury Festival de Film 2016 Kirsten Dunst Spider-Man
Auch die Schauspielerin Kirsten Dunst ist dieses Jahr in der Hauptjury.
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(asr)


Freitag, 20. Mai 2016

Gurkenfotos Folge zwei - frisch und unzensiert aus dem Festivalpalais

Mein Weg zum Vollblut-Paparazzo ist noch weit, aber ich arbeite dran. Das Ganze wird nicht einfacher durch die Tatsache, dass meine kleine Digitalkamera nicht gerade das optimale Equipment darstellt, um hier in den langen Fluren des Palais und bei ziemlich schlechten Lichtverhaeltnissen Menschen zu knipsen, die sich schnell bewegen. Klar, die Stars hier haben es dauernd eilig, ein Termin jagt denm naechsten, das macht auch meine Bilderjagd nicht einfacher.
Aber hier, exklusiv fuer Euch, die neuesten Schnappschuesse aus den dunklen Tiefen meiner Speicherkarte.

Cannes Festival Xavier Dolan Juste la fin du monde Marion Cotillard
Believe it or not - in dem Fleck stecken Regiewunderkind Xavier Dolan und die Acrice Marion Cotillard.
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Anlass war die Pressekonferenz zu Xavier Dolans neuem, mittlerweile sechstem Kinofilm "Juste la fin du monde" (It's only the end of the world), der wie seine vorherigen Werke auch hier seine Premiere feiert.

Cannes Festiav de Film Nathalie Baye Xavier Doland Its only the End of the World
Und in dem hellen Kostuem steckt Nathalie Baye, eine der Groessen des aktuellen franzoesischen Kinos.
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Cannes Xavier Dolan Vincent Cassel Film 2016
Auch der laessige Vincent Cassel spielt mit im neuen Dolan.
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Cannes Xavier Dolan its only the end of the world Lea Seydoux James Bond Spectre
Xavier Dolan setzt auch auf Lea Seydoux, bekannt unter anderem aus Inglorious Besterds, Blau ist eine warme Farbe oder James Bond Spectre.
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Cannes Xavier Doland Nathalie Baye Juste la fin du monde Premiere
Und hier nochmals Nathalie Baye bei der Dolan-PK, jetzt weniger vergurkt.
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(asr)


Donnerstag, 19. Mai 2016

Boxende Baecker, von Mafiosi geliebte Baeckerinnen
und wilde Ware mit Jarmusch und Iggy Pop

Zeit fuer einen Finnen: "Hymyileva mies" war gar nicht so, wie der Titel vermuten lassen wurde, sondern ganz schoen. Ein unspektakulaerer, aber liebevoll erzaehlter und erfrischender Film mit zweifellos geringem Budget, und sehr finnisch. Denn obwohl es um die wahre Geschichte eines jungen finnischen Boxers geht, eines gelernten Baeckers, der die einmalige Chance bekommt, einen US-Boxchampion zum Kampf um den Weltmeistertitel im Federleichtgewicht herauszufordern, so bekommen wir doch auch Kleinstadtalltag, Badeszenen im Weiher, Radtouren durch die immensen Waelder und viele viele Tassen Kaffee zu sehen.
Die Regie hat Juho Kuosmanen gefuehrt, der englische Titel lautet "The happiest day in the life of Olli Maeki" - und ich habe stark den Verdacht, dass das nicht die wortgetreue Uebersetzung des kurzen Originaltitels ist...
Schoenes und durchaus auch beruehrendes Independentkino, ganz im schwarzweissen Retrolook mit liebevoller Ausstattung im Stil der 60er Jahre.

Danach habe ich mich wieder haerterer Ware gestellt - "Pericle il nero" (Pericle) von Stefano Mordini erzaehlt die Geschichte eines schweigsamen, emotional etwas zurueckgebliebenen Mafiamitglieds, das fuer Don Luigi, den Boass eines Clans im belgischen Liege arbeitet. Skrupellos bestraft er fuer den Mafiaboss uneinsichtige Pizzeriabesitzer und alle, die sich dem Willen des Patriarchen widersetzen, und setzt dabei neben physischer Gewalt auch sexuelle Erniedrigungen ein, um dem fiesen Alten zu mehr Macht zu verhelfen. Als bei einer der Strafaktionen die Schwester eines anderen Clanchefs schwer verletzt wird, muss er verschwinden. Man s=will sich raechen, und es ist nicht klar, ob der eigene Boss in einem geheimen Abkommen als Zugestaendnis an den zweiten Clan den Schlaeger Pericle als Bauernopfer aufgibt.
Auf der Flucht begegnet Pericle in Calais einer Frau mittleren Alters, die in einer Baeckerei (schon wieder!) arbeitet. Penetrant baggert er sie an, laesst sich nicht abschrecken, und schliesslich laesst sie sich mit ihm ein (warum, hat sich mir nicht erschlossen, aber egal).
Erstmalig gibt es ploetzlich in seinem Leben noch etwas anderes als die Hierarchie und Arbeit in der Unterwelt...
Nicht uninteressant, aber auch nicht wirklich originell, sehr duester, etwas eindimensional, und der eigenwillige Held ist und bleibt ein unsympathischer Typ, auch wenn er ueberzeugend portraetiert wird. Der Film schwebt zwischen dem Mafiagenre mit Krimielemnetne und viel Brutalitaet und einem eher gefuehlsroinetierten Arthousefilm mit Liebesgeschichte - duerfte dabei aber beide Zielgruppen unbefriedigt zuruecklassen.

Cannes Jim Jarmusch Iggy Pop Gimme Danger Premiere Festival de Film 2016
Jim Jarmusch und Punklegende Iggy pop bei der Mitternachtspremiere von Gimme Danger.
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Zum Abschluss war ich noch beim Mitternachtsscreening - bei der Weltpremiere von Jim Jarmuschs zweitem Festivalfilm. Die Doku "Gimme danger" erzaehlt sehr detailgetreu die Geschichte von Iggy Pop und den Stooges, mit vielen Interviews und Konzertausschnitten, den Erinnerungen des wilden Iggy und seiner Zeitgenossen. Das riesige Lumierekino war gestopft voll trotz der Anfangszeit von 0.30 Uhr, Jim Jarmusch und Iggy pop waren anwesend. Und ich sass trotz der immensen Groesse dieses Monsterkinos nur wenige Meter von den beiden entfernt - und konnte viel fotografieren.
Der Film selbst ist eindeutig ein Werk fuer Fans und Liebhaber der Rockgeschichte, die Aufzaehlung von Bandmitgliedern, Wechseln in der Besetzung und Titeln geht sehr ins Detail. Filmisch trotz des wilden Stoffes ist die Doku etwas brav geraten, fand ich, und erinnerte mich dabei an Jarmuschs "In the year of the horse" von 1997, als er Neil Young und die Band Crazy Horse portraetierte - nachdem er zwei Jahre zuvor mit Young wegen dessen Soundtracks fuer das Meisterwerk "Dead man" zusammengearbeitet hatte.

Iggy pop in Cannes Jarmusch Gimme Danger Premiere Film Festival 2016
Der grosse Iggy Pop ist kleiner als ich dachte - aber auch cooler. Und lustiger.
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Jim Jarmusch Iggy Pop Festival de Cannes Premiere of the film Gimme danger
Jim und Iggy bei der Premiere der Musikdoku Gimme Danger nachts in Cannes.
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(asr)


Donnerstag, 19. Mai 2016

Viele gute Filme und eine Enttäuschung anderer Art

Da ich im Gegensatz zum Kollegen Alex nur eine profane Festivalakkreditierung habe und somit nicht in den Genuß der in der Presselounge zur Verfügung gestellten Computer komme, schaffe ich es leider nicht ganz so oft, euch von meinen neuesten Erlebnissen zu berichten. Es ist viel passiert seit meinem letzten Eintrag, ich habe pro Tag 4 oder 5 Filme gesehen und muß sagen, daß zwar ein paar schwächere dabei waren, aber wenig richtiger Mist.

Die Filme hier alle aufzuzählen, würde wenig bringen, da ich allenfalls mit Titeln und Regisseuren um mich schmeißen könnte. Daher hier in aller Schnelle nur ein paar Highlights. Sehr gut gefalllen habe mir:

  • Apprentice, ein singapurianischer Film von einem Regisseur namens Junfeng Boo, der in der Reihe "Un certain regard" lief. Es geht um einen jungen Mann, der in einem Gefängnis arbeitet und dort die Gefangenen bei ihrer Rehabilitation unterstützt. Als er in ein anderes Gefängnis versetzt wird, wird er auf eine sehr aufwühlende Art mit seiner Vergangenheit konfrontiert.
  • Apnée von Jean-Christophe Meurisse aus der "Semaine de la critique". Ein Film, den ich gar nicht so richtig auf dem Schirm hatte, und ich den ich mit habe mitziehen lassen. Eine herrlich abgedrehte französische Komödie der etwas anderen Art, die aber wohl zu speziell ist, um ihren Weg in die deutschen Kinos zu finden bzw. bei einer Synrhonfassung wohl ohnehin floppen würde.
  • Captain Fantastic von Matt Ross, der ebenfalls im "Certain Regard" lief. Hier muß ich einschränkend sagen, daß ich den FIlm brillant gefunden hätte, wenn man die letzten 20 Minuten weggelassen hätte. Das Ende war mir dann doch zu amerikanisch. Ansonsten aber durchaus ein zum Nachdenken anregender, großartig gefilmter Film, der noch dazu echt unterhaltsam ist.
  • S is for Stanley, eine italienische Doku über den Fahrer bzw. die rechte Hand Kubricks, in der der alte Mann, der Kubrick 30 Jahre lang begleitet hat, rückblickend erzählt, wie alles angefangen hat und wie er zum engsten Vertrauten Kubricks wurde. Ich hoffe, daß dieser Film es in die deutschen Kinos schafft und kann allen nur raten, ihre Scheu vor Dokumentationen abzulegen. Diese hier ist absolut sehenswert!

Überhaut habe ich in disem Jahr relativ viele Filme aus dem "Certain Regard" gesehen. Mit dem leider eher durschnittlichen After the storm von Hirokazu Kore-Eda (Like father, like son und Unsere kleine Schwester) komme ich auf insgesamt 6 Filme in dieser Reihe. Und ich hoffe ich werde mir auch gleich noch den finnischen Beitrag The happiest day in the life of Olli Mäki ansehen.

Und wie ich ja angekündigt hatte, durfte ich mir am Dienstag Abend Almodóvars Wettbewerbsbeitrag "Julieta" ansehen. Leider war ich extrem spät dran, weil ich unvorhergesehenerweise noch einmal ins Appartement zurückfahren mußte. Daher kam ich erst am roten Teppich an, als die ersten Stars schon begannen, darüberzuflanieren. Anfangs hatte ich ja noch die Hoffnung, man würde uns (ich stand mit sicher noch 100 weiteren Leuten allein an meinem Eingang noch draußen) noch irgendiwie zwischen den Stars hindurchschleusen, aber je weiter die Zeit fortschritt, desto weniger Hoffnung hatte ich, noch in den Saal zu kommen. Und als eine gute halbe Stunde später dann Almodóvar und die Filmcrew auf dem Teppich erschienen, war klar, daß man uns nicht mehr reinlassen würde.

Immerhin durften wir den Film dann im Nachbarsaal schauen, was auch ganz nett war, aber natürlich nicht ganz das ist, was man sich erhofft, wenn man eine Einladung für die Galaveranstaltung hat. Zum Film kann ich sagen, daß er mir gut gefallen hat. Es ist eine runde Geschichte, die erzählt wird, und die mich von Anfang an gepackt hat. Die Ausstattung und das Spiel mit den Farben sind, wie man es von Almodóvar gewohnt ist, großartig, da wurde wirklich auf jedes Detail geachtet. Allerdings fehlt dem Film ein wenig der Biß seiner früheren Filme. Er ist -- wie Kollege Markus es bezeichnete -- ein wenig "weichgespült", ein gefälliger Festivalfilm, der aber deswegen meiner Meinung nach nicht weniger sehenswert ist.

Und auch meine Kinobildung habe ich einiges getan und mir diverse Filme in den Cannes Classics angesehen. Unter anderem den italienischen Klassiker Planet der Vampire von Mario Bava, der auf italienisch den Titel Terrore nello spazio hat und in dem -- Achtung Spoiler! -- absolut keine Vampire vorkommen. Der insgesamt sehr dialoglastige Film glänzt vor allem durch seine Ausstattung und die tollen Lederuniformen, welche die Raumfahrer tragen. Daß Nicolas Winding Refn den Film persönlich präsentiert und eine kleine Einführung geliefert hat hat, war natürlich nochmal ein Pluspunkt.

Das war's erstmal wieder von meiner Seite, bis bald, Angelique

Cannes Film Festival Palm Palmen
Alles dreht sich um die Palmen - als Filmpreise, als Baeume an der Uferpromenade, und als Beiwerk fuer geschmackvolle Engelsskulpturen.
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Mittwoch, 18. Mai 2016

Ehen in Japan, Smog ueber Teheran und rote Schildkroeten

(okay okay, eine schwachsinnige Ueberschrift, musste aber gerade deshalb sein...
und um bildungsbuergerlichen Anspruechen genuege zu tun, verweise ich hiermit offiziell auf Walsers 'Ehen in Philippsburg' von 1957)

Neben dem neuen Farhadi gibt es dieses Jahr einen weiteren iranischen Film zu sehen, naemlich "Varoonegi" (Inversion) von Behnam Behzadi.
Der Regisseur ist vor Ort, bei der Premiere erzaehlt er von den Schwierigkeiten und der Einsamkeit, die er bei der Produktion dieses Independent-Films hatte in einem Land, in dem die Filmproduktion fast vollstaendig verstaatlicht ist.
Dennoch ist, trotz fraglos geringem Budget, ein hervorragend gemachtes Werk dabei herausgekommen, gut gespielt, fluessig erzaehlt, mit einer interessanten Geschichte - in der eine zunehmend selbstbewusster agierende Frau mittleren Alters, unverheiratet und auch wirtschaftlich unabhaengig, ihren eigenen Weg geht und sich Schritt fuer Schritt gegen die Bevormundungen des herrischen Schwagers durchzusetzen vermag.
Interessant auch, dass in dem Film sehr offen die zunehmende Umweltverschmutzung und der permanente Smog ueber Teheran wegen der Autoabgase thematisiert wird. Nicht nur am Rande, sondern am Fall der alten Mutter wird offen thematisiert, dass die Menschen krank werden wegen des immensen Autoverkehrs. Dazu kommt eine Liebesgeschichte und Treffen zwischen Nichtverheirateten - ganz offensichtlich ein Independentfilm, der aufgrund der Themen nicht die Unterstuetzung der offiziellen Filmfoerderung fand, aber immerhin doch vor Ort gedreht werden konnte - was vermutlich noch vor wenigen jahren nicht moeglich gewesen waere.

Cannes Film Festival Varoonegi
Festivalleiter Thierry Fremaux kuendigt den iranischen Film Varoonegi an, engl. Titel Inversion.
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Cannes Varoonegi Festival 2016 Behnam Behzadi
Der iranische regisseur Behnam Behzadi und die Crew des Films Varoonegi bzw. Inversion.
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Und dan habe ich den neuen Film von KORE-EDA Hirokazu gesehen, der mich und meine RedaktionskollegInnen vor drei Jahren schon mit seinem Film "Like father, like son" begeistert hatte. Sein neuer Film, "Umi Yorimo mada fukaku" (After the storm) hat mir ebenfalls gut gefallen, auch wenn er nicht ganz so ein Meisterstueck wie das Werk damals sein mag.
Wieder steht eine Familie im heutigen Japan im Mittelpunkt. Ein Vater, von dem sich die Mutter getrennt hat, sieht seinen Sohn nur noch selten, die Mutter ist wuetend, weil er die Alimente nicht regelmaessig bezahlen kann, und haelt ihn fuer einen Versager. Er ist eigentlich ein Schriftsteller, der vor 15 Jahren einen bedeutenden Literaturpreis erhalten hatte, seitdem aber nicht mehr viel zustande gebracht hat und in einer schmierigen Detektei Ehe- und Eifersuchtsfaelle bearbeitet.
Schritt fuer Schritt und mit Hilfe seiner schlauen alten Mutter gelingt es ihm aber doch, den Kontakt zu seiner Exfrau und dem Sohn zumindest wieder zu intensivieren...
Ein schoener, unspektakulaerer, alltaeglicher und sehr menschlicher Film, der zugleich aber auch gut unterhaelt. Er wird hoffentlich auch bei uns ins Kino kommen.

Einen interessanten Animationsfilm in der Sektion"Un certain regard" habe ich auch gesehen: "La tortue rouge" (The red turtle) ist eine niederlaendisch-japanische Zusammenarbeit des Hollaenders Michael Dudok De Wit.
Der wunderschoen und aussergewoehnlich stimmungsvoll gezeichnete abendfuellende Animationsfilm richtet sich mit seiner Geschichte ueber das Leben und Sterben, den Sinn unseres Daseins, ueber Einsamkeit und Lebensmut eindeutig an ein erwachsenes Publikum - und ist alein aufgrund dieser Zielgruppenausrichtung wahrscheinlich in den deutschen Kinos zum Scheitern verurteilt. Denn hierzulande haben ambitionierte Animationen, anders als in Frankreich, Belgien, Japan oder den USA, gemeinhin keine Chance am Ticketschalter.
Eine traurige Tatsache, die auch dieser ambitionierte Film wohl nicht aendern wird.

Tortue rouge red turtle Cannes film premiere Michael Dudok De Wit
Der niederlaendische Animationsfilm la tortue rouge, the red turtle, bei der Premiere in Cannes.
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Trotz grossartiger Bilder und Stimmungen und guter Einfaelle sind einige Handlungsmomente mir aber doch zu esoterisch-verschwurbelt, dennoch hatte ich viel Spass mit dieser an Robinson orientierten Geschichte eines Schiffsbruechigen auf seiner einsamen Insel, em eine raetselhafte rote Riesenschildkroete begegnet...
Und nach dem Film konnte ich kurz mit Regisseur Michael Dudok De Wit sprechen, und fand ihn ausgesprochen sympathisch. Bleibt zu hoffen, dass der Film, der uebrigens die allererste europaeische (Ko-)Produktion des legendaeren japanischen Animationsstudios Ghibli ist, bei uns doch irgendwo zu sehen sein wird.

Cannes tortue rouge red turtle ghibli suzuki de wit 2016
Festivalleiter Fremaux, Regisseur Michael Dudok der Wit und Ghibli-Studioboss Suzuki bei der Premiere.
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(asr)

Dienstag, 17. Mai 2016

Filme auf Spanisch mit titelgebenden Frauen: Julieta von Almodovar und Ma' Rosa von Mendoza

Pedro Almodovars neuer Film feiert hier in Cannes seine Premiere: "Julieta", und wie der Titel schon verraet steht hier mal wieder eine Frauenfigur in der Mitte des Geschehens. Almodovars Staerke, starke und interessante weibliche Charaktere zu schaffen, wurde ja in fast allen Artikeln ueber den originellen spanischen Filmemacher zum Dauerthema, nachdem er (spaetestens) 1999 mit "Alles ueber meine Mutter" vom Indie-Genre-Filmer und Star des schwullesbischen Kinos zum Star des Arthouse- und Programmkinos aufgestiegen war. Wobei ja der grossartige Streifen "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" 1988 auch hierzulande schon fuer Aufmerksamkeit sorgte.
Und jetzt "Julieta". Mit dem ich irgendwie nicht warm geworden bin. Solide gemacht, ordentlich gespielt, nette Sets, aber etwas fehlt mir. Es muss an der Story liegen. Diese Julieta geht mir nicht nahe, anders als so viele fruehere Almodovarfilme hat dieser mich wenig beruehrt. Es faengt interessant an, mit einer Zugfahrt , auf der sich die junge Julieta und ein interessanter Fremder zum ersten mal begegnen. Doch im Laufe der Geschichte habe ich schrittweise die emotionale Bindung an diese Figur verloren. Sie trifft ihn wieder, sie werden ein Paar und leben zusammen in seinem Haeuschen am Meer, mit einer seltsamen, aufmerksamen, undurchschaubaren Haushaelterin... Mehr wird nicht verraten. Kein schlechter Film, es gibt dazu noch unerwartete Wendungen, die aber vielleicht auch etwas unmotiviert sind. Aber es hat mich einfach nicht recht beruehrt, und etwas lahm ist es auch erzaehlt. Ohne den skurrilen Witz und ohne die ganz schrillen (Neben-)Figuren, mit denen der spanische Filmemacher sonst gerne farbige Akzente setzt - oder denen er wie zuletzt in "Fliegende Liebende" vollstaendig das Feld ueberlaesst.

Cannes Palmen Film
Glamour rules in Cannes - tagsueber glitzert die Sonne in den Blaettern der Palmen an der Croisette, nachts wird behutsam nachgeholfen.
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Habe eben bei der Pressekonferenz Kristen Stewart gesehen, bekannt vor allem als Bella in den Twilight-Filmen. Habe die Vampirstreifen nicht gesehen und bin auch sonst voellig meinungsfrei, was die oeffentlich heiss gefuehrte Kontroverse ueber ihre angeblich grossartigen oder wahlweise auch nicht vorhandenen Schauspielkuenste angeht. Weiss der Geier, mir egal. Aber live kommt sie ziemlich farblos rueber, auch beim Fotoshooting hier nach der Pressekonferenz.
Aber vielleicht ist sie ja auch nur muede - wie wir alle nach den Spaetfilmen und der permanenten Action auf dem anstrengenden Riesenfestival.

Vorhin war ich noch in "Ma' Rosa" von Brillante Mendoza, dem philippinischen Regisseur, der bereits 2009 fuer den Film "Kinatay" hier in Cannes eine Goldene Palme fuer die beste Regie gewonnen hat, und auch schon nach Venedig und Locarno eingeladen wurde.
Auch jetzt liefert er wieder hartes, direktes Kino ab, realitaetsnah, ohne Drehbuchschnoerkel. Eine rauhe Geschichte ueber Ma Rosa, die mit einem kleinen Laedchen ihre Familie ueber die Runden bringt, in einem Armenvierteln von Maila. Ein wesentlicher Teil der Tageseinnahmen kommt aus dem Drogenhandel. Als wegen eines Verrats die Polizei auftaucht, den Stoff (Crystal Meth) entdeckt und sie und ihren mann mitnimmt, geht der Aerger los. Denn Rosa muss ihren Zulieferer ans Messer liefern, und die korrupten Cops auf der Polizeiwache bestechen, um selber wieder freizukommen. Also werden die Kinder losgeschickt, um die (ziemlich hohe) Summe aufzutreiben.
Das Ganze ist anstrengend, viel Hektik und Geschrei, es sind keine sympathisch-sanften Charaktere, die Mendoza uns hier vorsetzt. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral", heisst es ja in Brechts Dreigroschenoper, und das passt auch zu diesem Film sehr gut. Und das Setting in den Armenvierteln wirkt ueberzeugend, Sprache, Verhalten, Alltagssorgen scheinen nah dran zu sein am Geschehen und an der philippinischen Lebenswirklichkeit. Daher als milieunahe Studie ueber eine Welt, die sich uns sonst kaum erschliesst, und sicher auch nicht als Tourist vor Ort, vielleicht doch lohnend - aber nicht als gemuetliches Samstagabend-Movie. Aber dafuer gibt es ja auch genug anderes Zeug.

(asr)


Montag, 16. Mai 2016

Kurzer Kaese, Liebe in rassistischen Zeiten und ein poetischer Busfahrer

Wow! Ich mag Kurzfilme. Aber was die Programm-Jury der Festivalsektion "Semain de la Critique" da gestern abend hinbekommen hat, Respekt! Da kann ich nur den Hut ziehen - 6 Kurzfilme aus aller Welt, ganz verschiedene Themen, Gesichter, Kulturen, Ideen - und alle 6 waren so richtig mies!!!
Und das war nicht nur meine Meinung, sondern auch auch die meines Nachbarn. Die andere Nachbarin hatte keine Meinung, weil sie sofort eingeschlafen war. Das muss mensch erst mal hinbekommen. Wow!

Im Wettbewerb laeuft ein US-Film des renommierten Filmemachers Jeff Nichols (Take Shelter u.a.) mit dem schlichten Titel "Loving".
Eher schlicht ist leider auch die Machart, also sehr konventionell im Stil, wenig originell. Aber dennoch ein guter Film. Ausgezeichnete Darsteller, stimmungsvolle Bilder, und durchaus packend. Der Film erzaehlt die (wahre) Geschichte eines "interracial couples", will sagen eines weissen Maurers, der sich in eine schwarze junge Frau verliebt. Und das in den 50er jahren, in den Suedstaaten. Sie wollen heiraten. Weil das aber in Virginia verboten ist, heiraten sie in einem Nachbarstaat. Aber auch das ist untersagt, und so wird das junge Paar, sie ist bereits schwanger, vom oertlichen Sheriff verhaftet.

Cannes Loving Festival de Film 2016 Jeff Nichols
Regisseur Jeff Nichols praesentiert in Cannes den Film Loving.
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Rassismus gehoert zum Alltag und zum Justizsystem, der Haftrichter laesst sie auf Kaution raus. Sie entgehen laut Prozessurteil nur deshalb einer langjaehrigen Gefaengnisstrafe, weil sie zu Angehoerigen in einem anderen Statt ziehen. Aber sie wollen zurueck zu ihrer Verwandtschaft, und dort leben, ein Haus bauen, ganz normal eine Familie gruenden. Genau das aber wird ihnen verweht, auch noch in den 60ern. Mit Hilfe eines jungen, engagierten Anwalts des Civil Rights Movements gehen sie wieder vor Gericht, bis hoch zum Supreme Court. Was ihnen nicht leicht faellt, sie kommen beide vom land, haben wenig Bildung, verstehen die Rechtssprache und die Verfahren vor Gericht nicht, und muessen dazu auch muehsam den Umgang mit der mittlerweile interessierten Presse lernen. Als 1967 der Supreme Court die rassistische Gesetzgebung von Virginia kippt, hilft dieses Grundsatzurteil auch zahlreichen anderen gemischten Paaren, endlich ihr Recht zu bekommen.
All das ist gruendlich und auch bewegend erzaehlt, von daher trotz der recht mainstream-orientierten Machart des Films durchaus lohnend, was die Geschichte der Buergerrechtsbewegung und die muehsamen Schritte hin zur Emanzipation der afroamerikanischen Bevoelkerung angeht.

Cannes Loving Jeff Nichols Ruth Negga
Ruth Negga spielt in dem Film Loving die weibliche Hauptrolle.
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Und dann ist da noch "Paterson". Der neue von Jim Jarmusch. Pflicht. Und immer eine Freude.
Allerdings diesmal nicht ungetruebt. Es ist meinen unbedeutenden Kritikerfingern schon rein mechanisch gar nicht moeglich, etwas Schlechtes ueber Big Jim zu schreiben. Ausgeschlossen, liebe Gemeinde. Aber so richtig begeistert hat er mich leider auch nicht, das neue Werk des Meisters.
Wobei mensch ja einraeumen muss, dass fuer Jarmuschfilme die Messlatte mittlerweile dermassen hoch haengt, dass selbst er sie nur noch schwer erreichen kann. Guckt ihn Euch selbst an, er kommt ja sowieso in die Kinos, wann auch immer. Mein Geschreibsel tut nichts zur Sache.

Jim Jarmusch Paterson Cannes Premiere Film Festival 2016
Jim Jarmusch mit seinen beiden Hauptdarstellern bei der Pressekonferenz zu Paterson.
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Okay, wenigstens ein Kommentar - aber nur so viel: Ein schoener Film, wenig spektakulaer Film, klasse die Hauptfigur des poetischen Busfahrers, ueberzeugend gespielt von Adam Driver (Star Wars Episode VII). Allerdings zeigt uns Jarmusch nach der irrealen Welt der Vampire in dem faszinierenden "Only Lovers left alive" jetzt so viel Kleinstadt-Alltag in der verrostenden ehemaligen Textilindustriestadt Paterson, dass ich schon ein wenig die verspielten, verrueckten und auch aberwitzigen Momente vermisst habe, die ja laengst Jarmuschs Markenzeichen geworden sind. Man findet sie schon, aber sie sind rar gesaet. Humor gibt es dennoch, und eine schoene Liebesgeschichte. Wahrscheinlich war es einfach wieder einmal Zeit fuer einen im besten Sinne "kleinen" Film in seinem Werk - mit mehr Alltagsnaehe, normalen Charakteren, Kleinstadt statt Metropole, Arbeitermilieu statt Glamourwelt (wie in Limits of Control), Cupcakes statt Kaviar, Bus statt Taxi.
Kurz gesagt: Nicht der beste Jarmusch. Aber ein guter Film. Gute Musik. Viel Poesie. Also bitte angucken!

Cannes Paterson Jarmusch Premiere
Die sympathische Hauptdarstellerin des Films Paterson, Golshifteh Farahani.
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Und ich war in der Pressekonferenz (da muss man sich anstrengen reinzukommen, der Raum ist nicht riesig, und alle wollen Jarmusch sehen). Mit Jim, Driver und der iranischen Schauspielerin Golshifteh Farahani in der weiblichen Hauptrolle.
Und alle waren extrem nett, sympathisch, und schlau. Eine Freude. Hatte ich Bedenken gehabt, was den Film angeht? Vergesst es. Reingehen! Danke!

Cannes Paterson Jarmusch Adam Driver World Premiere 2016
Adam Driver, bekannt aus Star Wars VII, spielt in Jarmuschs neuem Film den sensiblen Busfahrer Paterson.
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Und hier kommt noch ein Schnappschuss von der Weltpremiere im grossen Kinosaal des Theatre Lumiere hier in Cannes.

Paterson Jim Jarmusch Premiere Cannes
Jim und seine beiden Mimen bei der Weltpremiere von Paterson.
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(asr)


Als Spaetfilm gab es noch eine Runde Americana mit dem Streifen "Hell or high water". Viel Suedstaatenakzent. Nicht zuletzt dank dem Chef-Nuschler Jeff Bridges.
Unterhaltsamer Schinken, Farmer, Bankraeuber, zwei Brueder, ein kauziger Sheriff (Jeff Bridges), Pick-Up-Trucks und staubige Strassen, aber auch ein Portraet des laendlichen Amerikas mit Armut, ueberschuldeten Farmen, Bauern, die ihre Steuern und Kreditzinsen nicht mehr bezahlen koennen, und Farmland, das an die Banken faellt. Dazu coole Musik, unter anderem von Nick Cave. Eher Mainstraem. Aber gute Unterhaltung. Und mal 'ne Pause von den ganzen Arthouse-Dingern.

Cannes Hell or high water Film Festival Premiere 2016
Regisseur David Mackenzie mit den beiden Hauptdarstellern Ben Foster und Chris Pine.
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PS: Lustigerweise ist es der britische Indie-Filmemacher David Mackenzie, der das teil gedreht hat. Wobei sich mal wieder zeigt, dass die Einwanderer und "Fremden" amerikanischer sind als die Amerikaner. Das hatte sich ja schon eindrucksvoll bei den Exilanten gezeigt, die vor und waehrend der NS-Zeit nach Hollywood kamen (siehe Billy Wilders Komoedien, Lubitsch oder die Western von Fritz Lang. Fred Zinnemann und sein Meisterwerk High Noon. Und so weiter und so weiter...).

David Mackenzie Cannes
Regisseur David Mackenzie stellt in Cannes Hell or high water vor - und laesst sich fuer 35 Millimeter brav ablichten.
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(asr)


Montag, 16. Mai 2016

Viel Romantik und Traurigkeit, viel Schmachten - und einige Laengen

Marion Cotillard gehoert seit einigen Jahren zur besten Riege der aktuellen franzoesischen Schauspielerinnen, und das zu recht. Spaetestens wer ihre unglaubliche Performance als Edith Piaf (vom jungen Maedchen bis zur schwer kranken Frau) in "La vie en rose" gesehen hat, wird da wohl kaum widersprechen. Aber auch in "De rouille et d'os" (Der Geschmack von Rost und Knochen, Regie Jacques Audiard, 2012) war sie hervorragend,  auch wenn der leider in Deutschland kein so grosser Erfolg war wie im francophonen Raum.

Cannes Marion Cotillard Film 2016
Marion Cotillard bei der Pressekonferenz ihres neuen Films in Cannes.
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Ein weiteres Festival-Highlight fuer mich persoenlich war, sie hier bei der Pressekonferenz zu "Mal de Pierres" (Krankheit der Steine sinngemaess uebersetzt) live zu erleben - und natuerlich habe ich auch gleich ein Foto gemacht.

 

Ihr neuer Film hier im Wettbewerbsprogramm dagegen hat mich leider nicht so recht ueberzeugt - auch wenn das Werk der Regisseurin Nicole Garcia hervorragend gemacht ist, tolle Bilder, grosses Kino, rundum gute Schauspieler, auch die beiden maennlichen Hauptrollen.
Aber das schmachtende Epos ueber eine vertraeumte junge Frau, die komromisslos die grosse Liebe sucht, sich dabei aber immer wieder verrennt und auch ziemlich egozentrisch und manchmal auch erbarmungslos handelt, packt einen irgendwie nicht so recht, vielleicht weil die Hauptfigur mir einfach nicht sympathisch werden konnte. Eine Heirat ohne Liebe, eine Affaere im Sanatorium in den schweizer Alpen, ein Kostuem- und Ausstattungsfilm mit viel Stimmung, aber ohne Schwung oder Biss. Immerhin eine interessante Wendung zum Ende hin. Aber letzten Endes eben doch nur so lala.

 

Hallo Sie da! Ein Zeitschriften-Abo gefaellig?

Ziemlich gut dagegen fand ich einen weiteren US-amerikanischen Wettbewerbsfilm, naemlich "American Honey" von der in Grossbritannien geborenen Regisseurin Andrea Arnold. Denn obwohl das Ding fast drei Stunden lang ist, und ich solche Filmlaengen bei Kinofilmen generell fuer keine so grossartige Idee halte, hat mich dieser fiese kleine Low-Budget-Streifen ohne Abschweifungen gut bei der Stange gehalten. Haette ich nicht erwartet.
Er bietet ungewoehnliches, durchaus politisches Kino, anhand der Figuren werden soziale Milieus genau beobachtet und dargestellt, und dabei kommen auch Witz und emotionale Momente nicht zu kurz.
Es geht um eine junge Heranwachsende, die von sich behauptet, 18 zu sein, und die sich aufgrund der regelmaessigen Abwesenheit der Mutter und der permanenten Abwesenheit eines Vaters um ihre kleinen Geschwister und das verwahrloste Haus kuemmern muss. Irgendwann haelt sie es nicht mehr aus, als sie vom Containern auf der Suche nach Essbaren im Muell eines Supermarktes auf dem Heimweg ist. Da trifft sie einen frechen jungen Mann, etwas aelter als sie. Er bietet ihr einen Job an, Reisen und Abenteuer (und eine Love Story?) inklusive - und wirbt sie an fuer eine Truppe junger ZeitschriftenwerberInnen, die unter der gnadenlosen Herrschaft einer Geschaeftemacherin im Kleinbus krez und quer durch die USA reist, und mit allerlei Luegengeschichten und dubiosen Geschaeftsmethoden Abos fuer Zeitschriften verkauft.
Anfangs hat sie Skrupel, leichtglaeubigen Menschen die absurdesten Geschichten aufzutischen, um an einen Abovertrag oder Bargeld zu kommen, aber sie lernt schnell.

Cannes American Honey Nicole Garcia Sasha Lane Film Festival
Sasha Lane, sehr ueberzeugend als orientierungslose junge Frau in dem Film American Honey.
Quelle: 
asr

Die Grundkonstellation der Story ist ein zielmlich genialer Schachzug der Regisseurin, denn neben den Schicksalen der entwurzelten Mitglieder dieser jungen Truppe kann sie zugleich auch die heutigen USA portraetieren. Besser als in einem normalen Road-Movie, denn die Werber sprechen mit den Menschen, klingeln an Haustueren, bekommen Einblick in die Haeuser und Wohnsimmer der Nation, bereiten sich vor, ueberlegen vorher genau, welche Milieus in der jeweiligen Gegend leben, ob sie also christliche Geschichten oder mitleiderregende Armutsgeschichten fuer Reiche praesentieren sollten, ob es gebildete Staedter sind, oder einfache Farmer, denen sie etwas verkaufen wollen, ob einsame Maenner in den Wuestengegenden der Oelfelder oder gelangweilte Hausfrauen, die auf oekologische oder spirituelle Sprueche anspringen...

Keine leichte Kost, kein Unterhaltungsfilm, sondern ganz klar aus der Arthouse-Ecke, mit viel passendem Hip Hop und einer phaenomenal guten jungen Hauptdarstellerin (Sasha Lane), die wirklich einen der Filmpreise des Festivals verdient haette.

(asr)


Sonntag, 15. Mai 2016

Schnellschuesse - frische Filme aus Cannes

Dieses Mal eine schnelle Runde, damit ich ein bisschen aufhole:

Wie Angelique schon schrieb, lief hier in der wundervollen Retro-Reihe der Klassiker "Un homme et une femme", mit dem Regisseur Claude Lelouch 1966, also vor genau 50 Jahren, hier die Goldene Palme gewonnen hatte. Und danach noch weitere kleinere Filmpreise, wie den Oscar und aehnliches.
Eine schoene und sehr franzoesische Liebesgeschichte mit grossartigen Hauptdarstellern, naemlich Anouk Aimee und Jean-Louis Trintignant. Und eine Filmmusik, die so fies ins Ohr geht, dass ich sie den Rest des Tages vor mich hin summen musste. Fies. Schoen. Summ dideldum...
Aber das Beste: Regielegende Claude Lelouch (*1937) war persoenlich anwesend bei der Vorfuehrung, einer der letzten, der von der Generation der grossen franzoesischen Regisseure der 60er Jahre noch unter uns ist. Und er war richtig nett - und hat mir auch gleich meinen Festivalkatalog signiert.

Cannes 2016 Claude Lelouch
Die franzoesische Regielegende Claude Lelouch als Ehrengast in Cannes.
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"Bright Lights" ist eine interessante Doku ueber eine ziemlich ungewoehnliche Familie - was ja unter Schaupielerfamilien keine Seltenheit sein soll. Vor allem wenn sie in Hollywood leben...
Der Film zeichnet die aussergewoehnlichen Karrieren von Debbie Reynolds und Eddie Fisher nach, sie ausserst erfolgreiche Schaupielerin und zeitweise so etwas wie das "Darling der Nation" in den USA, die u.a. mit Gray Cooper, Frank Sinatra oder Dean Martin gedreht hat, und zum Beispiel an der Seite von Gene Kelly in "Singin' in the Rain" gespielt hat.
Die Tochter der Beiden, Carrie Fisher, wurde - na, erraten? - ab 1977 weltbekannt als Prinzessin Leia in der klassischen Star Wars-Trilogie, also Episode 4-6, und auch im neuesten Teil 7 ist sie ja mit dabei als toughe Leia.
Uebrigens hat ihr Vater (nein, nicht Darth Vader, ich meine Eddie Fisher!) spaeter eine der besten Freundinnen ihrer Mutter geheiratet - naemlich Liz Taylor. Das war so ungefaehr ihre 87. Ehe, die Liste auf Wikipedia war leider nicht durchnummeriert.  :-)
Und Carrie hat zwischendurch auch mal Paul Simon geheiratet (genau, den Saenger).

Cannes Carrie Fisher Star Wars Prinzessin Leia 2016
Carrie Fisher, beruehmt vor allem als Prinzessin Leia in Star Wars, in Cannes 2016.
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asr

Die Doku bietet aber nicht nur Promitratsch, sondern erzaehlt viel ueber die amerkanische Filmgeschichte quer durch das 20. Jahrhundert, und am Falle von Mutter Debbie auch das schwierige Altern fuer Stars, die eigentlich immer gut aussehen sollen, und nie zugestehen koennen, wie es wirklich um sie steht...

Cannes Carrie Fisher Star Wars Princess Leia
Und sie hat so wunderbar derbe Sprueche drauf.
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Aber auch hier das Beste zum Schluss: Carrie Fisher war persoenlich vor Ort, sie hat eine ziemlich coole, rauchige Stimme mittlerweile, und einen erfrischend-derben Humor mit saftigen Spruechen. Eine Freude!

Carrie Fisher Prinzessin Leia Star Wars Cannes Festival 2016
Und war nicht jeder pubertierende Junge in den 80ern irgendwie ein bisschen in Leia verliebt, trotz der unmoeglichen Schneckenfrisur?
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(asr)


Samstag, 14. Mai 2016

Eine Tochter ohne Bodenhaftung, und ein geerdeter Vater - in Maren Ades neuem Film

Mein bisheriges Festival-Highlight bisher: "Toni Erdmann" der Regisseurin Maren Ade - nach Jahren ohne deutsche Beteiligung beim Wettbewerb wurde Ades Film fuer die offizielle "Competition" um die Palmen eingeladen.

Maren Ade hatte vor Jahren mit dem Film "Der Wald vor lauter Baeumen" einen respektablen Arthouse-Erfolg gefeiert und fuer dieses Werk auch einige Filmpreise bekommen.

"Toni Erdmann" ist ebenfalls kein Mainstreamfilm, das fast drei Stundne lange Werk mutet ZuschauerInnen durchaus Laengen und traurige Momente zu, hat aber gleichzeitig auch viel Witz und Sinn fuer Skurriles - und hat darueber hinaus vor allem auch etwas zu sagen. Auf der narrativen Ebene erzaehlt er die Geschichte eines aelteren Mannes, Rentner, handfest, er lebt in einer Kleinstadt oder auf dem Land, lebensfroh und lebenserfahren, und mit einem schraegen Sinn fuer Humor ausgestattet. Zu seiner hochbegabten Tochter (grossartig gespielt von Sandra Hueller!) hat er weitgehend den Kontakt verloren, als Finanzexpertin arbeitet sie fuer die internationalen Unternehmensberatungen, wechselt die Jobs und die Wohnorte, si eist Teil der globalen Welt des Finanzkapitals und der grossen Konzerne. Sie verdient viel, aber absolute Unterwerfung unter Job, Termine, Kundenwuensche haben klare Prioritaet vor allen privaten Dingen. Als er bei einer kurzen Gelegenheit nach Jahren seine Tochter wiederseht, stellt der Vater bekuemmert fest, dass sie nicht gluecklich zu sein scheint. Er beschliesst, sie anlaesslich ihres Geburtstags an ihrem aktuellen Wohnort in Bukarest zu besuchen, ein Ueberraschungsbesuch, der ihr nicht gerade gelegen kommt.

Sie hat kaum Zeit fuer ihn, aber bei den wenigen Momenten zusammen sieht er, wie sie sich einerseits voellig unterwirft, Speichel lecken muss, vor lauter Anpassung an die Kundenwuensche sich selbst voellig verleugnet, aber auch, wie sie andererseits selbst erbarmungslos ihre Untergebenen herumkommandiert, ihr Geld einsetzt, andere ausnuetzt, ihr ueppiges Gehalt gibt ihr Macht ueber Andere im Rumaenien von heute.

Der Vater, erschuettert, faehrt entgegen seiner Ankuendigung nicht wieder nach Hause, sondern beschliesst, unter falschem Namen, mit Peruecke und falschen Zaehen (!) wieder Schwung, Leben und Lebensfreude, und vielleicht auch etwas Anstand, in den tristen Alltag seiner Tochter zu bringen - der er vorhaelt, sie sei wie eine Maschine geworden...

Cannes Maren Ade Film Festival 2016 Toni Erdmann
Grosser Bahnhof - Maren Ade und ihr neuer Film "Toni Erdmann" bekommen Standing Ovations bei der Weltpremiere.
Quelle: 
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Neben der Familiengeschichte erzaehlt Ades Film viel ueber die Welt der grossen Finanzkonzerne und Unternehmensberatungen, ueber eine globale Managerwelt ohne Identitaeten und ohne Skrupel, ueber das Verhalten der Reichen in Laendern, in denen ihr Gehalt sie zu Herren macht, und die unwirkliche Blase, in der sie mit ihrem Reichtum neben der Lebensrealitaet der einfachen Bevoelkerung in einer Parallelwelt leben und jede Bodenhaftung verlieren, und Moral und Anstand gleich noch dazu verlieren.

Cannes Maren Ade Erdmann
Maren Ade und ihre beiden Hauptdarsteller Sandra Hueller und Peter Simonischek bei der Premiere von Toni Erdmann.
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Standing Ovations nach der Weltpremiere, tosender Applaus fuer Maren Ade und die phantastische Sandra Hueller, aber auch fuer die grossartige Performance von Peter Simonischek, der den Vater spielt.
Fuer mich (und viele andere hier, hoere ich immer wieder in Gespraechen und bei der Lektuere der Festivalblaetter) einer der ganz heissen Kandidaten fuer die Palmen, sei es Regie oder DarstellerIn.
(asr)


Samstag, 14. Mai 2016

Panafrikanische Begegnungen in Marokko

Na gut, nicht wirklich in Marokko, sondern hier in Cannes, aber im marokkanischen Pavillon. Durch Zufall und freundliche Einladung bin ich hier in einen Stehempfang gestolpert. Leckere Spezialitaeten aus dem nordafrikanischen Land, Frittiertes und Gebackenes, mit Gemuese oder Fisch oder Suessem gefuellt, dazu guten typisch marokkanischen Minztee.
Und interessante Leute habe ich auch getroffen, darunter insbesondere Maimouna und Michel.

Cannes Panafrikanisches Filmfestival
Maimouna und Michel beim marokkanischen Empfang.
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Michel ist Franzose mit Wurzeln in Mali und koordiniert die Pressearbeit fuer das Panafrikanische Filmfestival, das einmal jaehrlich hier in Cannes stattfindet.

Cannes Ngangue Ebelle 2016 Film Festival Panafricain
Eitel Basile Ngangue Ebelle ist Praesident des Panafrikanischen Filmfestivals in Cannes.
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Und die Beiden haben mir gleich noch Eitel Basile Ngangue Ebelle vorgestellt, dem Praesidenten des Panafrikanischen Filmfestivals. Dieses Jahr fand es bereits statt, vom 16. bis 20. April, und das bereits zum 13. Mal.

Flucht und Exil aus Kambodscha

Einen geheimnisvollen, experimentellen Film habe ich von Rithy Panh gesehen, einem in Kambodscha geborenen Regisseur, der selbst als Kind sein Land verlassen und mit seiner Familie ins Exil gehen musste, und diese grundlegenden Erfahrungen in einer Art Dokumentarfilm-Essay nun verarbeitet hat.
Immer wieder dreht sich sein filmisches Schaffen um die Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha. In seinem neuesten Film "Exil" jedoch geht es nicht mehr im konkrete historische Ereignisse, es ist eher eine Meditation ueber Einsamkeit und Exil und die Auswirkungen, die es auf Leben und das eigene Selbstverstaendnis haben kann.

Rithy Panh Cannes
Regisseur Rithy Panh aus Kambodscha in Cannes.
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asr

Beiliebe kein einfacher, leicht konsumierbarer Film, der mit Animationen und ruhigen Sequenzen spielt, und Aphorismen und Zitate ueber Politik und Gewalt, ueber Revolutionen, die Hoffnungen auf den "neuen Menschen" und die radikale Veraenderung einer Gesellschaft vereint, von so unterschiedlichen Urhebern wie Mao, Saint Juste oder Robespierre.
Viele haben den Saal verlassen, auch ich war manchmal ungeduldig oder etwas genervt von manchen Szenen, dann aber haben mich andere Momente wieder gepackt und angezogen.

Cannes 2016
Rithy Panh und sein neuer Film "Exil" in Cannes bei der Premiere.
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Wie auch immer, der Regisseur Rithy Panh ist ein alter Dauergast hier in Cannes, ist sehr sympathisch und wurde durchaus von dem verbleibenden Teil der Zuschauer gefeiert.
(asr)


Sonntag, 15. Mai 2016

Der Festivalsamstag

Und noch ein paar kurze Bemerkungen zum bisher erfolgreichsten Tag des Festivals, dem gestrigen Samstag. Ich habe in relativ schneller Folge hinterienander fünf gute bis sehr gute Filme gesehen. Den Anfang machte in der Reihe "Semaine de la Critique" die franko-belgische Koproduktion "Grave" bzw. "Raw" wie der internationale Titel lautet. Ich sehe Vegetarier jetzt mit etwas anderen Augen.

Cannes Film Festival Grave Raw
Die Regisseurin Julia Ducournau und die Hauptdarstellerin Garrance Marillier von Grave bzw. Raw.
Quelle: 
asr

Weiter ging es im Filmmarkt mit zwei spanischen Filmen, die sich durchaus sehen lassen konnten: "Cerca de tu Casa" ("At your doorstep") von Eduard Cortés und "El rey del once" des Argentiniers, Daniel Burman, der 2004 auf der Berlinale mit "El abrazo partido" auf der Berlinale den Preis der Jury gewonnen hatte. Weiter ging es mit "Welcome to Norway", einer Komödie über einen latent rassistische Mann, der das schnelle Geld wittert und in Nordnorwegen ein Heim für Asylbewerber aufmachen möchte. Ein Film, den man so in Deutschland sicher nicht hätte drehen können. Klar, der war alles in allem etwas vorhersehbar, hat aber dennoch durchaus Spaß gemacht.

Den Abschluß machte dann im Sprint noch ein Klassiker von Claude Lelouch: "Un homme et une femme". Der Meister der Nouvelle Vague hatte es sich auch nicht nehmen lassen und hat sich seinen eigenen Film, der vor 50 Jahren hier in Cannes die (nicht unumstrittene) Palme gewonnen hatte, noch einmal anzuschauen. Das Publikum dankte es ihm mit langanhaltendem Applaus am Ende des Films.

Zwischenbemerkungen

Tja, alles nicht so einfach dieses Jahr. Die Kartenergabepolitik ist völlig undurchsichtig, weswegen ich, die ich offiziell nicht als Presse akkreditiert bin sondern als Vertreterin des aka Filmclubs, leider keine Karte für die einzige Wettbewerbsvorstellung des einzigen deutschen Beitrags im Wettbewerb bekommen habe. Sehr unbefriedigend das Ganze. Es ärgert mich als Vertreterin eines deutschen Kinos schon ein wenig, daß ich von den Filmfestspielen nach Hause fahren muß, ohne Maren Ades "Toni Erdmann" gesehen zu haben. Zumal der Film hier durchweg gute Kritiken bekmomen hat. Kollege Alex, der mit seiner Presseakkreditierung hier im Vorteil ist, war von dem über zweieinhalb Stunden langen Film ebenfalls durchaus angetan.

Auch Andrea Arnolds Film lief heute Nachmittag in einer einzigen Vorstellung, für die ich natürlich keine Karte bekommen habe. Und eigentlich hätte ich schon gerne die drei Frauen im Wettbwerb gesehen. Ist es doch selten genug, daß überhaupt Regisseurinnen in Cannes im Wettbewerb präsent sind (in den anderen Sektionen sieht das zum Glück etwas besser aus). Für Nicole Garcias Beitrag hatte ich es dann gar nicht erst versucht, die Schlange am Last-Minute-Eingang heute Vormittag war aber beachtlich, so daß ich hier mit meinem Losglück auf andere Filme setze.

Immerhin kann ich berichten, daß ich mir "Julieta", den neuen Almodóvar, am Dienstag Abend in der Soirée anschauen darf. Das heißt, ich werde in Abendgarderobe über den roten Teppich spazieren und darf mir die Vorstellung gemeinsam mit dem Regisseur und den Darstellerinnen und Darstellern ansehen. Das ist meistens schon ein echtes Erlebnis! Und Almodóvar hat mich bisher noch nie so richtig enttäuscht.


Freitag, 13. Mai 2016

Gurkenfotos  -  Schnell- und Schnappschuesse aus der Huefte

Auch wenn bekanntermassen bei freien Radios das Geld nun wirklich keine Rolle spielt, wir mit dem ganz ganz grossen Equipment hier angereist sind, taeglich riesige Kamerataschen und Berge von Foto-Superduper-Ausruestung mit uns durch die weitlaeufigen Hallen des Festivalpalais schleppen und heroisch aufs Filmeschauen verzichten, nur um Euch tagesaktuell mit hochwertigen Fotoessays und Promi-Portraitfotografie auf internationalem Niveau und beseelt vom atemlosen Paparazzi-Spirit zu versorgen...

Cannes Jodie Foster 2016 Film Festival
Money Monster - der weisse Fleck in der Mitte ist Jodie Foster. Ja, echt!
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asr

 

... nun ja, auch dann, liebe Festivalfreunde und Promifreundinnen, ja auch dann geht, Verwunderung darueber herrscht auch bei uns, ja, auch dann, wir geben es ohne (weitere) Umschweife zu, geht tatsaechlich mal ein Bild daneben... Huestel...

Hier ein paar hochwertige Aufnahmen von der Pressekonferenz zu "Money Monster", dem neuen Film von Jodie Foster. Ziemlich hochwertig besetzt uebrigens. Unter anderem mit Julia Roberts.

Cannes Julia Roberts
Und die Dame mit der schwarzen Weste, die wir unscharf und nur von hinten sehen, ist Julia Roberts. Kein Scheiss.
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asr

Der Film erzaehlt von den beiden MacherInnen einer Live-TV-Sendung zu Finanz- und Anlagefragen. Als ein Zuschauer, der als Investor auf einen Schlag alles verloren hat, eindringt und das Studio uebernimmt, geraet die Situation aus dem Ruder, und das Moderatorenpaar Lee und Patty muessen live auf Sendung die Lage in den Griff bekommen. Keine leichte Aufgabe, denn die Ursache der Situation reicht weit in die wirren Mechanismen der modernen globalen High-Tech-Finanzmaerkte hinein...

So, und jetzt kommt der eigentlich Renner, haltet Euch fest: Der Herr mit der Jeans und dem weissen Hemd ist, believe it or not, Goerge Clooney. Und dass jetzt niemand behauptet, ich haette das Bild absichtlich verwackelt, weil es in Wirklichkeit ein sofort nach der Erfolglosigkeit in umfassender Vergessenheit versunkener Bottroper Amateurschauspieler ist, der von den Ordnern versehentlich reingelassen wurde... Nein nein nein, bei Geronimo, es ist George.

Cannes Clooney Festival 2016
Der unscharfe Fleck in Jeans und weissem Hemd ist George Clooney. Und es ist mir egal, ob Ihr's glaubt oder nicht...
Quelle: 
asr

Und er kam auch echt gfanz sympathisch rueber, hat sich viel Zeit fuer die Fans genommen, brav alle Handyfotoanliegen mitgemacht, Autogramme gegeben und nett gelaechelt, ohne arrogant rueberzukommen. Und ein paar gute Filme hat er ja auch gemacht, wie zum Beispiel als Regisseur den ziemlich packenden und durchaus politisch engagierten "Good night and good luck", um nur einen zu nennen.
(asr)


Gewalt und politische Kontroversen in den Strassen von Kairo

Interessant fand ich auch "Eshtebak" (Clash), ein Spielfilm aus Aegypten und auf dem Festival in arabischer Originalfassung zu sehen. Der Regisseur Mohamed Diab erzaehlt von den politischen Auseinandersetzungen in Kairo, als die 2013 Militaers den Muslimbruder-Praesidenten wieder gestuerzt hatten und massive, oft gewaltsame Auseinandersetzungen und Polizeieinsaetze zum Alltag in den Strassen der Hauptstadt gehoerten.

Nach oft recht willkuerlichen Festnahmen finden sich diverse DemonstrantInnen und Passanten in einem Gefangenentransporter der Polizei wieder, darunter Unterstuetzer der Muslimbrueder, PassantInnen, auch eine Familie mit Jugendlichen oder Kindern, progressive Unterstuetzter der Demokratiebewegung, aber auch zwei Journalisten, einer davon Halbamerikaner. Die Konflikte in der Gruppe der Gfenagenen eskalieren, zugleich wird die Lage aussen immer bedrohlicher, Steine fliegen, bald fallen draussen auch Schuesse, ausserdem ist es heiss, und das Wasser wird knapp. Die unterschiedlichen Figuren in dem Gefangenenbus repraesentieren zugleich verschiedene gesellschaftliche Milieus und politische Positionen. Kein unterhaltsamer Film, er ist anstrengend und hektisch, aber ziemlich interessant. Und es ist selten, dass Filmemacher aus Aegypten selbst einmal zu Wort kommen im westlichen Filmbetrieb...

(asr)


Freitag, 13. Mai 2016

Ken Loach hat noch immer etwas zu sagen - explizit politisches Kino ohne Kompromisse

Heute hatte der neue Film von Ken Loach Premiere. Der Brite bleibt seinen Themen treu: Der wohl wichtigste Vertreter des britischen sozial engagierten, politischen Kinos hat nach wie vor etwas zu sagen, in diesem Fall zu der desolaten Situation der sozial Prekaeren, der Kranken und Arbeitslosen, die aufgrun von Arbeitslosigkeit oder Krankheit (oder Alter) kein Einkommen mehr haben - und es mit einem immer unpersoenlicher und kaelter werdenden System an Agenturen, Call Centern, entwurdigenden Befragungen und unverstaendlichen Online-Formularen aufnehmen muessen, um an Unterstuetzung, Arbeits- oder Krankengeld zu kommen und menschenwuerdig leben zu koennen.

Am Beispiel des aelteren Schreiners Dan (Daniel) erzaehlt Loach in dem Spielfilm "I, Daniel Blake", wie ein Mensch aus dem Foerdersystem rutschen kann. Sein Arzt verbietet ihm weiterzuarbeiten wegen Herzproblemen, eine Sozialberaterin, die nicht medizinisch geschult ist, haelt ihn aber fuer arbeitsfaehig, so rutscht er zwischen zwei Einstufungskategorien, bekommt keine stattliche Hilfe mehr, obwohl er ein Leben lang Steuern bezahlt hat und in die Sozialsysteme einbezahlt hat, und steht ploetzlich vor dem Nichts. Einer jungen, alleinerziehenden Frau mit ihren Kindern versucht er liebevoll zu helfen, ihnen geht es anfangs noch schlechter als ihm selbst.

Schonungslos (und ein bisschen mit dem moralischen Holzhammer) erzaehlt Loach in dem Spielfilm, wie Sozialarbeiter mit Herz helfen wollen, aber nicht duerfen, wie "decision maker" ohne Herz strikt den regeln folgen, auch wenn diese im Einzelfall keinen Sinn ergeben, und wie private Agenturen mit zum Teil nicht qualifizierten Personal, vom Staat als Verwalter der Sozialversicherung eingesetzt werden und mit eiskalter Menschenverachtung ihre Arbeit tun.

Kein subtiler Film, die Botschaft ist klar und wird geradlinig durcherzaehlt, aber dank der immensen Regieerfahrung des Regisseurs und der hervorragenden Hauptdarsteller entstand mit "I, Daniel Blake" ein Werk, das im Gegensatz zu so vielen anderen Filmen in dem Festivalzirkus hier in Cannes etwas zu sagen hat, der beobachtet, anklagt und ganz offensichtlich auch veraendern moechte. Und mich persoenlich, muss ich zugeben, dabei ziemlich bewegt hat.

Danke, Mister Loach, und weiter so! Wir brauchen Ihr Kino mehr denn je!

(asr)

 


Donnerstag, 12. Mai 2016

Senkrecht bleiben!

Meine erste Pressekonferenz dieses Jahr - dieses Mal zum franzoesischen Film "Rester vertical" (Staying vertical).

Regie fuehrte Alain Guiraudie, der vor einigen Jahren mit dem Arthouse-Film "L'inconnue du lac" (2013) auch bei uns einigen Erfolg im Kino hatte. Und fuer diesen Film den Regiepreis in der Cannes-Sektion "Un certain regard" gewonnen hat, ebenso wie die "Queer Palme" in Cannes 2013.
Den Film habe ich noch nicht gesehen, aber hier kommen ganz frisch die Bilder der Pressekonferenz.

Cannes Film
Alles wartet, dass die Pressekonferenz zu Alain Guiraudies Film "Rester vertical" losgeht...
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In "Rester vertical" erzaehlt Regisseur Guiraudie (*1964) von der Suche des Dokumentarfilmers Leo auf der Suche nach Woelfen in Suedfrankreich. Dabei begegnet er der Schaeferin Marie, aus der Liebschaft geht ein Kind hervor. Doch Marie kann und will sich auf den unsteten Leo nicht verlassen, und ploetzlich ist dieser wieder allein - aber mit einem Baby im Arm...

Cannes Guiraudie Rester vertical
Mit Darsteller Raphaël Thiéry (links), Hauptdarstellerin India Hair (in rot), Regisseur Alain Guiraudie und Hauptdarsteller Damien Bonnard (in schwarz).
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Cannes 2016 Guiraudie Film Festival
Regisseur Alain Guiraudie (Mitte) mit den beiden Hauptdarstellern seines neuen Films.
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asr

 

Und dann wurde es aber doch allerhoechste Zeit fuer meinen ersten Film hier auf dem Festival...

Und wie koennte mensch das franzoesischste aller Filmfestivals besser beginnen als mit der frisch restaurierten Fassung eines der ganz Grossen Meister des franzoesischen Kinos schlechthin - mit "masculin feminin" von Jean-Luc Godard?

Genau 50 Jahre ist es her, dass dieser Wegbereiter des modernen franzoesischen Kinos und wichtiger Vertreter der "nouvelle vague" diesen Film produziert hat. Keine Frage, dass an diesem Werk trotz der hervorragend restaurierten Kopie doch der Zeitgeist etwas genagt hat... Die politisch eingestreuten Statements sind nicht unbedingt subtil, und die Gespraeche ueber Vietnam, die US-Soldaten in Frankreich und die Revolution an sich bilden eine Ebene des Films, die amouroesen Noete und Verwicklungen der Protagonisten eine ganz andere, und irgendwie passt das fuer heutige Betrachter nicht mehr so ganz zusammen. Aber egal, klasse wie gewohnt ist Jean-Pierre Leaud, der schon fuer Truffaut ja regelmaessig dessen alter ego Antoine Doinel spielen durfte, und auch seine Freundin, die politischen Genossen und die Clique Jugendlicher bzw. junger Erwachsener im Paris des Jahres 1966 ueberzeugt noch heute. Interessant auch die Debatten ueber Musik, ueber den damals offenbar in Europa noch kaum bekannten Bob Dylan, aber auch ueber Johnny Halliday, France Gall und  die Musik der Zeit, Themen, die vielleicht im Rueckblick als Zeitdokument noch mehr Spass machen. Dazu dringt trotz der politischen Botschaften und Ambitionen auch immer wieder Godards Humor durch, mit einem hang zu Dadaismus und Surrealem, wenn wir, kaum beachtet und nur im Hintergrund, Frauen in Rage ihre Liebhaber und Ehemaenner spontan ueber den Haufen schiessen, ohne dass das allzuviel Aufsehen verursacht. Grossartig!

(asr)


Donnerstag, 12. Mai 2016

Nun schaffe auch ich es endlich, mich von der Côte d'Azur zu melden. Das Wetter hat uns am Montag leider mit Regen empfangen und auch gestern, am Eröffnungstag schauerte es Nachmittags heftig. Heute strahlt die Sonne, aber es geht immer noch ein heftiger Wind, der das Schlangestehen stellenweise recht ungemütlich macht.

Da das Festival ja offiziell erst gestern Abend mit dem Eröffnungsfilm von Woody Allen gestartet ist, mußte ich mich gestern imi Filmmarkt herumtreiben und sichten, was die ausländischen Produzenten unter anderem nach Deutschland verkaufen wollen. Ein richtiger Glücksgriff war bisher noch nicht dabei. Los ging es um 12 Uhr (man will ja ausgeschlafen sein!) mit der spanischen Produktion "Ocho apellidos catalanes", einer Komödie mit hohem Fremdschämpotential, die eigentlich keines weiteren Kommentares bedarf und getrost vergessen werden kann. Besser war dann im Anschluß "Being Charlie" von Rob Reiner, in dessen Plot einige meiner Mitstreiter schon Schwarzenegger wiederzufinden glaubten, ging es doch um den Sohn eines zur Politik konvertierten ehemaligen Schauspielers. Der Film hatte durchaus Tiefgang, hat sich aber aus der Masse auch nicht herausgehoben sondern eine Geschichte konventionell erzählt, die schon viele Male im Kino und Fernsehen erzählt wurde. Den Schluß machte gestern das israeliche Drama "Tikkun" über einen wiederbelebten orthodoxen Juden und dessen Glaubensherausforderungen. Der Film war durchaus interessant aber wahnsinnig anstrengend. Er war komplett in schwarzweiß gefilmt, kam dogmamäßig quasi ohne Musik aus, verharrte in langen, ruhigen Einstellungen und folgte oft minutenlang schweigend einer einzelnen Figur. Interessant aus meiner Sicht war, daß Frauen in diesem Film so gut wie keine Rolle gespielt haben. Die einzigen weiblichen Figuren, die im Film kurze Auftritte hatten, waren die Mutter sowie die kleine Schwester der Hauptfigur. Ansonsten war der Film ein reiner Männerfilm.

Heute Vormittag habe ich mich dann in den offiziellen Teil des Programms gestürzt und mir gleich die ersten beiden Filme der "Semaine de la critique" angesehen. Der zweite läuft heute Abend noch einmal als offizieller Eröffnungsfilm. Während ich den ersten, "Albüm" durchaus interessant, wenn auch etwas langatmig fand und er mich ziemlich ratlos zurückgelassen hat, konnte ich mit dem zweiten überhaupt nichts anfangen. "Victoria", die Geschichte über eine "criminal lawyer", "sex-addict, workaholic, totally self-centered" war dann doch eher eine banale französische Komödie aber ohne den Charme von "Ziemlich beste Freunde" oder "Willkommen bei den "Sch'tis".

Morgen schaue ich dann meinen ersten Film im Wettbewerb, "I, Danieil Blake" von Ken Loach. Also stay tuned!

Angelique

Cannes Festival 2016
Der Festival-Zirkus von oben - Blick vom Palais aus auf die Festivalzelte und die Croisette.
Quelle: 
asr

Donnerstag, 12. Mai 2016

Startschuss in Cannes - Aufmerksamkeit ist alles

Cannes 2016 Film Soixantieme
Neben den Kinos im Palais und in der Innenstadt von Cannes wird auch ein Zelt bespielt, hier bezeichnet als Salle du Soixantieme.
Quelle: 
asr

Der Irrsinn geht wieder los. Das fuerchterlichste, arroganteste, versnobteste, aber, wie schon in den Vorjahren zerknirscht eingestanden, eben auch das schlicht und ergreifend schoenste Filmfestival der Welt hat begonnen.

Die Sonne strahlt ueber der Croisette, der Uferpromenade, in der elf Monate im Jahr voluminoese Damen in Pelzmaentel winzig kleine, vor einem Jahrhundert skrupelloser Zuchtversuche ehedem zur Gattung Hund gehoerende Wesen an rosa und golden schimmernden Leinen hinter sich herziehen, neben nicht weniger voluminoesen Herren, die so gerne zum Adel zaehlen wuerden, und es doch nur zum Geldadel brachten.

Presse, Fans, Kameras und ich - alle warten auf George Clooney - gleich soll er durch die Tuere hinten links kommen (oder vom Himmel herabsteigen...)!
Quelle: 
asr

Aber all das ist nichts Neues, neu hingegen sind die Filme, und jede Menge Arthouse-Filme kaempfen im Wettbewerb um Palmen oder in den diversen Nebenreihen des Festivals um Ruhm und Ehre. Vor allem aber um Aufmerksamkeit, um mit dem Verkauf von Film-, Streaming-, DVD/BluRay- und vor allem auch Kino-Verwertungsrechten eines Tages ihr Publikum zu finden, und um Presseberichte und Aufsehen, um aufzufallen in der immensen Masse an Filmen, die hier 13 Tage lang ueber die unzaehligen Leinwaende flimmert.

Ebenfalls nichts Neues ist, dass die Tastaturen hier im Presseraum des Festivals keine Umlaute haben, dafuer bitte ich ebenso um Entschuldigung wie fuer den ganzen Quatsch, den subjektiven Film-Fan-Flachsinn und die spontanen Euphorie-Erguesse, die ich und meine Kollegin Angelique als Vor-Ort-Crew der RDL-Filmredaktion "35 Millimeter" Euch in den kommenden Tagen zumuten werden.

Wer das liest ist (nein, nicht doof, aber:) selber schuld!
Kurzum: Danke an alle, die dabei sind und das aushalten.  "We love you!", pflegen die wortgewandten Prominenten hier auf dem Festival in solchen Momenten nonchalant allen zuzurufen, die nicht rechtzeitig wegrennen.

Bis bald! Euer Alexander (asr)