Afghanistan: PRO ASYL fordert Abschiebestopp aufgrund der Pandemie

Afghanistan: PRO ASYL fordert Abschiebestopp aufgrund der Pandemie

PRO ASYL protestiert mit Nachdruck gegen die Realitätsverweigerung der Innenminister einiger Bundesländer und fordert, den angesetzten Abschiebeflug nach Afghanistan zu stoppen. »Es ist unerträglich, dass die Innenminister einiger Bundesländer ungeachtet der Lage und mit stoischer Gleichgültigkeit Abschiebungen durchziehen«, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Die Sicherheitslage sei katastrophal und es gebe in Afghanistan keine sicheren Gebiete, in die Geflüchtete zurückkehren könnten. Hinzu komme die Pandemie, der zunehmend Gerichte, nicht aber die abschiebewilligen Behörden, Rechnung tragen.

Manche Abschiebungen werden von Gerichten in letzter Minute gestoppt, andere nicht. Es hängt oft vom Zufall ab, ob ein Afghane, der überfallartig zum Zwecke der Abschiebung verhaftet wird, einen Rechtsbeistand findet. Dieser wiederum muss dann noch das Glück haben, auf ein Gericht zu treffen, das den Mut hat, dem Druck der Innenminister standzuhalten, und den Fall erneut aufrollt um die Abschiebung in letzter Minute zu stoppen. »Genau deshalb müssen die Innenministerien endlich handeln und die Abschiebungen stoppen«, fordert Burkhardt.

Die afghanische Bevölkerung leidet enorm unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Nichtsdestotrotz wurde eine pandemiebedingte Unterbrechung von Abschiebungen in das Bürgerkriegsland nach wenigen Monaten im Dezember 2020 wieder aufgehoben. Insgesamt wurden 989 Menschen seit 2016 in das Bürgerkriegsland abgeschoben.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erkennt an, dass aufgrund der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan es auch für junge, gesunde Rückkehrer derzeit nur möglich ist, ein Existenzminimum zu erwirtschaften, wenn begünstigende Umstände vorliegen. Das Gericht sieht abgeschobene Personen ohne die Unterstützung eines familiären oder sozialen Netzwerks aktuell nicht in der Lage, eine Beschäftigung auf dem Tagelöhnermarkt zu finden, um sich ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Die wenigen verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten werden nach Erkenntnissen des Gerichts in der Regel über persönliche Beziehungen vergeben. Der Aufbau eines Netzwerks aus eigener Kraft sei hingegen äußerst unwahrscheinlich.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09.02.2021 im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Abschiebung eines von der Sammelabschiebung am gleichen Tage betroffenen drogenabhängigen jungen Mannes nach Afghanistan untersagt. Laut Bundesverfassungsgericht wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht die aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG resultierende Aufklärungspflicht für die Situation von Rückkehrern verletzt. Denn das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit beschäftigt, wie sich die Covid-19-Pandemie auf das afghanische Gesundheitssystem auswirkt, auf das es den Betroffenen im Hinblick auf dessen Drogen- und Substitutionstherapie aber gleichzeitig verweist. Außerdem habe sich das Verwaltungsgericht nicht mit den Auswirkungen der Pandemie auf die wirtschaftliche Situation in Afghanistan auseinandergesetzt.

Auch beim Auswärtigen Amt kommt es immer wieder zu Änderungen der Beschlüsse. Das Robert Koch Institut beschriebt Afghanistan zuerst als Hochinzidenzland, jetzt hingegen wird es als Risikogebiet eingestuft.